„Ankündigungssender“ sendet

■ RTL2 startet sein Programm heute morgen um 6.05 Uhr

Köln (taz) – Viermal mußte der Start von RTL2 verschoben werden. Viermal waren Bedenken und Einsprüche der zuständigen hessischen Landesanstalt für Privaten Rundfunk (LPR) Ursache dafür, daß das „jugendorientierte Vollprogramm“ nicht auf Sendung gehen konnte. Wieder und wieder hatten die Kasseler Medienwächter Veränderungen in Gesellschafterstruktur und Einflußgeflecht des Kanals angemahnt. Mit einem Spielfilm ging das mittlerweile spöttisch als „Ankündigungssender“ bezeichnete RTL2 nach monatelangem Streit heute morgen um 6.05 Uhr auf Sendung.

Eigentlich schien schon Mitte Dezember alles klar. RTL2 hatte nach drei mißglückten Startversuchen die Auflagen der Zulassungsbehörde LPR schließlich zähneknirschend akzeptieren müssen. Die Gesellschafter wurden zu einer grundlegenden Anteilsneuverteilung gezwungen. Weil die Medienkontrolleure eine unerlaubte Verflechtung der Namensvettern RTL und RTL2 verhindern wollten, mußten die RTL-Eigner CLT, Bertelsmann, Burda und FAZ ihre Anteile bei RTL2 unter 25Prozent senken. Der Heinrich Bauer Verlag und Tele München – sie sind an keinem weiteren TV-Sender beteiligt – übernahmen mit jeweils 37,6Prozent die Mehrheit an RTL2. Zudem mußte die CTL ihren vorherrschenden Einfluß im RTL-Programmbeirat beschneiden lassen. Damit waren die Hauptbedingungen der Kasseler LPR erfüllt, die alle konzentrationsrechtlichen Bedenken damit ausgeräumt sah.

Doch die zur Lizenzausstellung nötigen notariell beglaubigten Gesellschafterverträge ließen erst mal auf sich warten. Schuld war internes Gerangel unter den RTL-2- Gesellschaftern. Dem Heinrich Bauer Verlag schien das Projekt mit seinem erhöhten Anteil finanziell zu risikoreich geworden zu sein. Zudem lehnte der Verlag zunächst einen Zusatzvertrag ab, mit dem CLT und Bertelsmann eine spätere Umwandlung von RTL2 in einen Spartenkanal für Spielfilme offenhalten wollten.

Als die Verträge nach querelenbedingter Verzögerung am 9.Februar bei der Hessischen Landesanstalt eintrafen, war gerade der dritte angekündigte Starttermin verstrichen. Doch Anstaltsdirektor Thaenert wollte nun immer noch nicht die Lizenz an den Privatsender abschicken. War er doch wegen seiner nachgiebigen Haltung gegenüber RTL2 von der entscheidenden LPR-Anstaltsversammlung immer wieder heftig kritisiert worden. Er habe sich von den Fernsehmanagern einseifen lassen, wurde von der Versammlung kritisiert, die sich von ihrer Verwaltung veralbert fühlte. Derart gemaßregelt, wollte Wolfgang Thaenert den dubiosen RTL-2- Zusatzvertrag nicht auf eigene Verantwortung durchgehen lassen und berief eine Sondersitzung der Anstaltsversammlung ein. Die segnete am vergangenen Montag die Lizenz endgültig ab. Der Zusatzvertrag sei derzeit „rundfunkrechtlich völlig unbedeutend“, argumentiert man in Kassel. Für eine Umwandlung zum Spartenprogramm sei schließlich eine neue Lizenz erforderlich, über die die LPR entscheiden müßte.

Programmlich stehen bei RTL2– welch Innovation – Spielfilme und Serien im Mittelpunkt. Sie sollen rund 80 Prozent der Sendezeit füllen. Ein junges, familienorientiertes Programm verspricht Geschäftsführer Gerhard Zeiler, der „keine Soft-Pornos, keine Sex- Filme“ senden will. Außer den in Hamburg hergestellten Nachrichten und einer Talkshow für Jugendliche will der Kanal zunächst weitgehend ohne Eigenproduktion auskommen. Später sollen, so wird angekündigt, Magazinsendungen folgen; in fünf Jahren soll die Hälfte des Programms eigenproduziert sein.

Zu empfangen ist RTL2 über Kabel und den „Astra“-Satelliten, zu Beginn nur in knapp 40 Prozent der Haushalte. Allerdings hofft RTL2 auf weitere Kabeleinspeisungen und auf Antennenfrequenzen. Wo die Lizenzgeber RTL2 besonders gewogen sind, will der bisher in Köln-Marsdorf nur provisorisch untergebrachte Sender sich dann auch endgültig niederlassen. Ehrgeiziges Ziel: ein Marktanteil von zwei bis drei Prozent in einem Jahr und langfristig bis zu zehn Prozent. Christoph Heinzle