: Arbeitsamt „handlungsunfähig“
■ Konkurrenz zwischen etablierten Trägern und Turnschuhinitiativen befürchtet
Trüb schaute gestern der Bremer Arbeitsamtsdirektor Ernst Joachim Domino in die Runde: „Wir sind zur Stunde handlungsunfähig.“ Die Angestelltenkammer hatte zu einem Hearing über die „Zukunft der Arbeitsmarktpolitik in Bremen“ geladen. „F und U und ABM“, wie die Fortbildungs-, Umschulungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen unter InsiderInnen heißen, sind der Bundesanstalt für Arbeit von der Regierung erheblich und unangekündigt gekürzt worden.
Christian Havel vom Landesarbeitsamt Niedersachsen/Bremen gab ein Beispiel: Allein bei den Kosten für Lehrgänge müssen die Arbeitsämter 25 Prozent einsparen. Da sie sowieso noch eine Bugwelle von alten Verpflichtungen vor sich herschieben, stehen 1993 für Niedersachsen und Bremen statt 460 Millionen nur 65 Millionen zur Verfügung.
Die Landesarbeitsämter seien schuldlos, bestätigte Staatsrat Arnold Knigge vom Arbeitssenat. Er schickte giftige Pfeile gen Bonn und forderte einen Nachtragshaushalt für die Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von mindestens acht Milliarden Mark.
So ganz machtlos sieht aber auch der Staatsrat das Land Bremen nicht: Noch gezielter müsse man die Drittmittel aus dem Europäischen Regional- und Sozialfonds einsetzen. Das war das Stichwort für Marie-Luise Beck, die arbeitspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion der Grünen: Schließlich seien es die oft geschmähten „Turnschuhinitiativen“ gewesen, die arbeitslosen AkademikerInnen der 80er Jahre also, die in Bremen eine freie Trägerschaft für Bildungsprojekte aufgebaut hätten. In Bremerhaven, so Marieluise Beck, seien die Europamittel zum Beispiel nie in diesem Maße ausgeschöpft worden. Diese „Turnschuhinitiativen“ seien kein Luxus, sondern eine Pfründe Bremens. Beck befürchtet nun einen gnadenlosen Konkurrenzkampf zwischen etablierten und freien Träger.
Weniger auf Bonn als auf die Wut der Betroffenen hofft die Gewerkschafterin Helga Ziegert: „Wir brauchen nicht nur eine aktive Arbeitsmarktpolitik, sondern auch eine starke Bewegung, die diese aktive Arbeitsmarktpolitik erzwingt“, sagte sie zu den ZuhörerInnen, unter ihnen zahlreiche UmschülerInnen der zehn Bremer Übungsfirmen. Die hatten nämlich am Morgen auf dem Marktplatz gegen die Kürzung der Arbeitsförderungsgelder demonstriert. Am 31.7. droht den Übungsfirmen das Aus. Viele der rund 250 TeilnehmerInnen stünden dann mit einer halben Ausbildung da, besonders hart für die Alleinerziehenden. „Mit uns nicht, ihr Bonner Politiker“, sagen die UmschülerInnen. Am 30. März wollen sie gemeinsam mit ihren bundesdeutschen KollegInnen nach Bonn ziehen. Cis
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