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Irritationen um das Unaussprechliche

■ Wer hat wann zu wem in welchem Sinne A... gesagt? Ein Stück Justizgeschichte

Irritationen um das Unaussprechliche

Wer hat wann zu wem in welchem Sinne A... gesagt? Ein Stück Justizgeschichte

Rechtsanwälte und Staatsanwälte haben eins gemeinsam: Sie ringen vor den Schranken des Hohen Gerichts um die irdische Gerechtigkeit. Dabei ist nicht nur ein Mindestmaß an Höflichtkeit erforderlich, sondern, der Würde des Ortes entsprechend, eine auf reine Sachlichkeit beschränkte Sprache. In Bremerhaven ist dies — wie so oft — anders.

In einem beklagenswerten Vorfall, der dies überdeutlich dokumentiert, ist ein namenhafte Anwalt aus der Seestadt, Klaus B., verwickelt. Er geriet als Privatperson in die Mühle der Justiz, weil er den Amtsanwalt Manfred Hollander während einer Gerichtsverhandlung mit einem sehr schlimmen Wort tituliert haben soll. Dieses Wort fängt mit A an, bezeichnet relativ präzise einen wichtigen geopraphischen Punkt der hinteren Anatomie und in der Baubranche ist sprichwörtlich, daß der Zimmermann auch eins gelassen hat, dem allerdings die anatomische Zuordnung fehlt.

Es geschah während einer Verhandlung vor dem Verkehrsrichter Werner Purmann, einem weisen Juristen. Dem Mandanten von Klaus B. soll vom Amtsanwalt die Einstellung eines Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße vorgeschlagen worden sein. Nach ausgiebiger Beratung betrat Klaus B. und sein Mandant wieder den Raum der irdischen Verkehrsgerichtsbarkeit und stimmte dem Vorschlag zu. Manfred Hollander indes, wohl von Zweifeln umgetrieben, soll nicht mehr seiner Meinung gewesen sein und den gütigen Vorschlag abgelehnt haben. Daraufhin sprach Klaus B. ihm gegenüber das ganz schlimme Wort aus.

Richter Purmann soll sofort erklärt haben, weder etwas gehört zu haben noch sich an irgendetwas erinnern zu können. Amtsanwalt Hollander indes fühlte — wie er seiner vorgesetzten Behörde erklärte — mit dem anatomischen Begriff zwar nicht sich selbst, sondern die Institution der Strafverfolgungsbehörde angegriffen und geschändet. Den Gesetzen der irdischen Gerichtsbarkeit entsprechend, folgte ein Strafantrag nebst dem dazugehörigen Ermittlungsverfahren.

Rechtsanwalt Klaus B., Sohn eines Oberstaatsanwalts und Enkel eines höchst angesehen Bremerhavener Lokalpolitikers, trägt nun die private Last der irdischen Gerichtsbarkeit auf seinen Schultern. Dies wäre vielleicht noch zu ertragen, gäbe es nicht noch den Nachtrag zu der Geschichte, daß Klaus B. quasi fortgesetzt handelnd das schlimme Wort der Ermittlungsmacht zugerufen haben soll.

Da mutmaßt nämlich der Staatsanwalt Schillberg, Klaus B. solle A. zu ihm gesagt haben. Die sofortige Dementierung der strafbaren Handlung durch Rechtsanwalt Klaus B. verhinderte weitere Aufklärungsschritte der Staatsgewalt.

Zur Ehrenrettung des Beschuldigten Rechtsanwalts sei abschließend noch angemerkt, daß alle Indizien darauf hindeuten, daß Rechtsanwalt Klaus B. das schlimme Wort höchstens einmal ausgesprochen hat, und zwar, wenn überhaupt, während der Verhandlung vor der irdischen Verkehrsgerichtsbarkeit höchstens zu sich selbst.

Lutz G. Wetzel

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