: Kriegsverbrecher sollen Eigentum zurückerhalten?
■ Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts läßt Kriegs- verbrecher auf Milliardenvermögen hoffen/ Senat in der Klemme
Berlin. Das Land Berlin muß möglicherweise auf Vermögenswerte in zweistelliger Milliardenhöhe verzichten. Anlaß zur Beunruhigung bietet die der taz jetzt vorliegende Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts. Das Gericht spricht dem Wertheim-Konzern einen Restitutionsanspruch an einem Grundstück in der Rosenthaler Straße im Bezirk Mitte zu (VG 21 A 541,92), das die Treuhand bereits an die Firma Arcop Marketing verkauft hatte. Diese Immobilie befindet sich jedoch auf der sogenannten „Liste 3“. In dieser sind insgesamt 1.500 Grundstücke verzeichnet, die zwischen 1945 und 1949 auf Veranlassung der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet wurden, weil ihre Besitzer „Kriegsverbrecher oder Naziaktivisten“ waren. Der Senat hatte beschlossen, daß diese Vermögenswerte nicht an ihre ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben werden. Die Gründe, die er für diesen Beschluß vorbrachte, wurden nun vom Verwaltungsgericht als wenig stichhaltig verworfen.
Der Senat hatte die Enteignungen nach „Liste 3“ als rechtens erkannt, weil sie „auf besatzungshoheitlicher Grundlage“ erfolgt seien. Daß die „Liste 3“ erst am 3.Dezember 1949, also nach Gründung der DDR, veröffentlicht wurde, sah er als „eine Berliner Besonderheit“ an, die „rechtlich unerheblich“ sei. Der ursprüngliche Veröffentlichungstermin 1.September 1949 habe nicht eingehalten werden können. Das Verwaltungsgericht ist im Gegensatz dazu der Auffassung, daß unter „Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage“ nur „Enteignungen, die vor dem 7. Oktober 1949 (Gründungstag der DDR, d.Red.) erfolgten“, zu verstehen sein. Maßgeblich für den Rechtscharakter der Enteignung sei der „Zeitpunkt des Ausspruchs der Enteignungsmaßnahme, der den eigentlichen Eingriffsakt darstellt“ – und das war der 3. Dezember 1949. Das Gericht verwarf ausdrücklich auch die Auffassung des Senats, daß der Zeitpunkt des Erlasses der entsprechenden Ermächtigungsgrundlage, der Februar 1949, für die Enteignungen entscheidend sei. Zudem sei die „Liste 3“, im Gegensatz zur früher verfaßten „Liste1“, von der sowjetischen Besatzungsmacht „nicht ausdrücklich bestätigt worden“, für das Gericht ein weiteres Kriterium dafür, daß die „besatzungshoheitliche Grundlage“ nicht gegeben war. Senatssprecher Heußen erklärte gestern, der Senat mache sich die Argumente des Gerichtes nicht zu eigen und warte die Revisionsentscheidung ab. dr
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