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Pure Angst, Panik, gnadenloser Haß

■ "Romper Stomper" - der Glatzenfilm des autralischen Regisseurs Geoffrey Wright. "Clockwork Orange" aktualisiert

„Gewalt ist geil. Oder?“ fragt reißerisch der deutsche Titel von „Romper Stomper“. Was dann folgt, ist eine moderne Version von „Clockwork Orange“. Innenansichten der arischen Rasse. Plötzlich sind die Jäger die Gejagten. Gerade noch haben die Skinheads einem wehrlosen Vietnamesen die Kette um den Hals gelegt und zugedrückt – jetzt geht es um ihr eigenes Leben. Die Skinheads in Geoffrey Wrights Film „Romper Stomper“ erfahren am eigenen Leibe, was sie Tag für Tag anrichten: Sie säen Haß und Brutalität und ernten Gegengewalt. Erst gnadenlose Schläger, dann jämmerliche Angsthasen. Noch einmal will Hando, der barbarische Anführer, seinen Haufen gegen die Vietnamesen aufhetzen. Doch die Übermacht der auf Rache sinnenden Asiaten ist zu groß. Alleingelassen steht Hando mit dem Schlagstock im Hauptquartier. Ein neues bis dahin nicht gekanntes Gefühl hat die Skinheads befallen. Pure Angst. Panik. Der Ausgangspunkt dieser Geschichte wäre eher Anlaß für eine tastende und zweifelnde Annäherung an das Phänomen Rechtsradikalismus gewesen. Aber Geoffrey Wright begnügt sich mit alttestamentarischer Weisheit. Wie du mir, so ich dir. Auch Skins müssen mal bluten. Auge um Auge, den Rest kennen wir bereits.

Auf der Suche nach der unverfälschten Darstellung. Aber was ist die Wahrheit? Geoffrey Wright nimmt Zuflucht zum verstaubten Anspruch des Cinema Verité. Er möchte die Skins möglichst authentisch darstellen – die Haltungslosigkeit des Regisseurs soll den ungetrübten Blick auf die Verhältnisse garantieren. Der Film schwebt dabei gar nicht mal in der Gefahr, durch die fehlende Stellungnahme ein Vakuum zu erzeugen, das die Skins gar zu Märtyrern werden ließe – Opfer ihrer Sozialisation. Dazu sind die häßlichen Glatzen mit ihren kantigen Köpfen viel zu stumpf und verbissen. Jedes Palaver um den Niedergang der weißen Rasse gerät zum Akt der Selbstentlarvung.

Trotzdem. Unter dem Vorwand, nichts von der Wirklichkeit verbergen zu wollen und dem Zuschauer auch die blutigen Details ungefiltert zu zeigen, entsteht noch lange kein großes Kino. Die nervösen Schwenks mit der Handkamera auf der Schulter, die hektischen Schnitte, die dokumentarisch sein wollen, jedoch nur dilettantisch wirken, lassen vielleicht ein Kino der reinen Aufzeichnung entstehen; das aber bedeutet lediglich, die pseudoinformative Bewußtlosigkeit des Fernsehens auf die Leinwand zu übertragen. Wright hätte seine erklärte Absicht, einen Teil des wirklichen Lebens abzubilden, neu erfinden müssen. Realität ist etwas anderes als eine Inszenierung. Doch er liefert eine schlichte Kopie der Reportage-Technik. Reality Cinema gleich Authentizität. Eine Verwechslung.

Angst sät Zwietracht. Nach dem Angriff der Vietnamesen macht die Clique der Skins noch ein paar traurige Versuche, ihren Zusammenhalt über den kleinsten gemeinsamen Nenner Randale zu retten. Doch ein labiles Mädchen, das sich zunächst am Macho-Gehabe des Anführers aufwärmt und dann die sensiblen Seiten eines anderen Skins entdeckt, reduziert den Endkampf der Ausländerhasser auf die einfachste Geschichte des Kinos: zwei Männer prügeln sich um eine Frau. Vom Fascho zum Skin deep. So hat Geoffrey Wright am Ende dann doch noch einen erbaulichen Vorschlag für die Lösung des Skinproblems zu machen: Verprügelt euch gegenseitig, dann bleibt die restliche Welt wenigstens unbeschädigt.

Mehr wäre zu diesem Kino- Pamphlet nicht zu sagen, doch die allmähliche Verblödung einer Branche, die mit blutigen Geschichten abkassiert, aber dabei plötzlich ihr schlechtes Gewissen entdeckt hat, treibt derzeit seltsame Blüten. Diesmal ist es die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, die den eher mäßigen Streifen dann doch noch zum Skandalon aufwertet. Sie hat „Romper Stomper“ nicht ab sechzehn Jahre freigegeben und auch die „Erteilung des Kennzeichens Nicht freigegeben unter achtzehn Jahren“ verweigert. Zur Begründung hat die Kommission der FSK auf Paragraph 2 ihrer Bestimmungen hingewiesen, nach dem „kein Film die Würde des Menschen verletzen, entsittlichend oder verrohend wirken und im besonderen brutale und sexuelle Vorgänge in übersteigerter, anreißerischer Form schildern“ dürfe.

Das allerdings ist wirklich zuviel des Guten. Noch eine Verwechslung. Die Sittenwächter des Jugendschutzes haben aus der Positionslosigkeit des Regisseurs eine Identifikation mit dem Gedankenwerk der australischen Nazis konstruiert: Wer so etwas filmt, muß es auch selbst glauben. Es scheint der FSK also um die Fortsetzung eines Trends zu gehen. Bestraft werden sollen diejenigen, die die Entstehung der Gewalt abbilden. In fataler Umkehrung der tatsächlichen Situation werden nun die Bilder haftbar gemacht für die Menschenjagden in den Straßen. Verwundern muß diese Entscheidung auch deshalb, weil Hans J. von Gottberg, ein mit dem Jugendschutz beauftragter Ländervertreter bei der FSK, im Dezember 92 in einem Interview gegenüber der taz erklärte, daß man einen Aspekt nicht verdrängen dürfe: „Daß die Gewalt keine Erfindung der Medien und der Filme ist.“

Die FSK hat sich in „Romper Stomper“ einen Statthalter ausgeguckt, der der Institution jenen moralischen Anstrich geben soll, den sie bei den Großproduktionen Hollywoods vermissen läßt. Wie anders ist es sonst zu erklären, daß ideologisch fragwürdigere Filme wie „Rambo III“, die zudem um einiges roher und brutaler sind als „Romper Stomper“, die Hürden des Jugendschutzes ungehindert passieren konnten? Mit der Entscheidung der FSK steht inzwischen eines fest: Die Gewaltdebatte, die sich im vergangenen Sommer an der Brutalisierung der Fernsehkanäle entzündet hatte und dabei einmal mehr die unsinnige These von der direkten Wirkung der Mediengewalt auffrischte, macht auch vor dem Kino nicht halt. Nach der Aktion sauberer Bildschirm jetzt die Aktion saubere Leinwand. Erst Philip Grönings „Terroristen“, dann Heises „Stau jetzt geht's los“. Was hinter den Debatten steckt, ist auch ein Stück Arroganz. Institutionen wie die FSK trauen dem Zuschauer wohl nicht mehr zu, sich selbst ein Urteil zu bilden. Vielleicht sollten sich die Selbstkontrolleure an die Worte ihres Gremienmitgliedes Hans J. von Gottberg erinnern: „Natürlich stehe ich für einen vernünftigen Jugendschutz. Aber zur Zeit scheint es mir wichtig, zu betonen, daß wir zwischen dem Freiheitsgedanken und dem Schutzgedanken sinnvoll abwägen müssen.“ Anlaß für das taz-Gespräch mit Gottberg war übrigens der vom Bundesverfassungsgericht verkündete Freispruch für den bis dahin verbotenen Zombie-Film „Tanz der Teufel.“ Christof Boy.

Geoffrey Wright: „Romper Stomper“, Australien 1992, Mit Russell Crowe, Daniel Pollock, Jacqueline McKenzie

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