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Es geht um mehr als nur Sozialpläne

■ Interview mit Theo Steegmann, zweiter Betriebs- ratsvorsitzender des Krupp-Werkes in Rheinhausen

taz: Herr Steegmann, sehen Sie nach dem Stillegungsbeschluß noch Chancen, das Blatt zu wenden?

Theo Steegmann: Zunächst einmal muß man feststellen, daß die vom Krupp-Vorstand präsentierten Zahlen sehr widersprüchlich sind. Einerseits wird gesagt, Rheinhausen habe einen Kostenvorteil gegenüber dem Standort Dortmund von 65 Millionen im Jahr; dieser Vorteil, so gebe ich das mal in meinen Worten wieder, werde von den hohen Kosten, die bei einer Stillegung in Dortmund entstünden, wieder wettgemacht. Das zweite entscheidende politische Problem ergibt sich im Zusammenhang mit der Kokskostenfrage. Laut Vorstand hat sich die Ruhrkohle AG verpflichtet, den Koks zum Preis der kruppeigenen Kokerei in Rheinhausen zu liefern. Dieser Preis liegt aber wesentlich unter dem bisherigen Koksabgabepreis der Ruhrkohle. Das setzt natürlich eine Riesenspirale in Gang, denn alle anderen Stahlunternehmen werden jetzt auch diesen niedrigeren Preis verlangen. Das ist der Anfang vom Ende der Ruhrkohle.

Auf der gestrigen Belegschaftsversammlung ist gesagt worden, verantwortlich für das Aus von Rheinhausen sei nicht die Ökonomie, sondern die Politik, die an der Ruhrkohle-Zusage gedreht habe.

Wir vermuten, daß die Ruhrkohle politisch beeinflußt worden ist. Wenn im übrigen der Krupp- Hoesch-Konzern jetzt nicht das Geld hat, Investitionen für die Zustellung des zweiten Hochofens in Rheinhausen zu tätigen, dann muß man hinzufügen, daß solche Investitionen in zwei, drei Jahren auch in Dortmund anstehen. Wenn der Vorstand sagt, diese Investition würde sich in Rheinhausen nicht lohnen, dann wird sie sich auch in zwei Jahren in Dortmund nicht rechnen. Wäre ich Dortmunder, würde mich das Vorstandskonzept sehr nervös machen. Ich vermute, daß dahinter die Strategie steckt, sich aus der Stahlproduktion in Deutschland ganz zurückzuziehen. Dazu passen auch Informationen, denen zufolge Krupp sich intensiv bemüht, ein Stahlwerk in der Slowakei zu kaufen.

Auch IG Metall und Betriebsräte wissen, daß an einem Kapazitätsabbau kein Weg vorbei führt...

Wir haben den Kapazitätsabbau am Ende des Arbeitskampfes 1988 ja akzeptiert. Es sind Anlagen stillgelegt worden, im Gegenzug hat sich der Vorstand schriftlich verpflichtet, 1.500 Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. 1990 hat man dann gesagt, wir betreiben den einen Hochofen langfristig weiter, deshalb brauchen wir keine neuen Arbeitsplätze zu schaffen. Tatsächlich sind wir betrogen worden, deshalb auch sind die Menschen hier so verbittert. Wenn das Werk jetzt dichtgemacht wird, geht gerade für die Jugendlichen in dieser Stadt jede Perspektive verloren.

Geht es in Wahrheit jetzt nicht nur noch um die Sozialpläne?

Nein, es steht grundsätzlich die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Politik auf der Tagesordnung. Der Arbeitskampf 1988 ist durch die Vermittlung von Ministerpräsident Johannes Rau beendet worden. Die Vereinbarung lautete: Kapazitätsabbau gegen neue Arbeitsplätze. Der Kapazitätsabbau ist gekommen, die neuen Arbeitsplätze nicht. Es geht hier also auch um die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten. Hier steht viel, viel mehr auf dem Spiel als nur sozialverträgliche Regelungen für die Betroffenen. Interview: Walter Jakobs

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