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Dem Mountain-Bike eine Hütte

■ Parkplatzprobleme, aber kein Gestank: Kongreß zur Zukunft des Fahrradverkehrs

Dem Mountain-Bike eine Hütte

Parkplatzprobleme, aber kein Gestank: Kongreß zur Zukunft des Fahrradverkehrs

Bremen die Fahrradstadt: Gleich hinter Erlangen hat Bremen das längste Radwegenetz. In Bremen hat der Pedalverkehr eine Quote erreicht, von der vergleichbare Städte nur träumen können. Bremen die Fahrradstadt? Radwege enden unvermutet im Kofferraum eines parkenden Autos. Wer versucht, mit dem Rad einigermaßen zügig vom Ostertorsteinweg via Innenstadt in die Faulenstraße zu gelangen, der braucht erstens kriminelle Energie (Fahren in der Fußgängerzone), zweitens eine gute Konstitution (die Langenstraße ist in einem erbärmlichen Zustand) und drittens Todesmut (Martinistraße!).

Ein voll besetzter Saal im Scandic Crown Hotel: Den ganzen Donnerstag unterhielten sich Fahrradfreaks mit VerkehrspolitikerInnen und PlanerInnen nur übers Rad. „Ein Platz fürs Fahrrad in der Stadt“ — die Parkplatz GmbH hatte zu einem bundesweiten Fahrradkongreß geladen, unterstützt von der Bausenatorin und dem ADFC: Interessierte und ReferentInnen aus dem In- und Ausland waren gekommen. Begonnen wurde mit der prinzipiellen Frage, wie das Rad den städtischen Verkehr entlasten könne (die Hälfte aller Fahrten mit dem PKW sind kürzer als fünf Kilometer), aber der Schwerpunkt der Tagung lag mehr, dem Einlader gemäß, auf der Frage: Wohin mit dem Rad, wenn es nicht fährt?

Was es nicht alles gibt, um Fahrräder sicher, trocken und halbwegs benutzerfreundlich abstellen zu können. Wer eine Alternative zum Laternenpfahl suchte, gestern wurde sie geboten. Neben den Vorträgen und Dias und Folien gab es leibhaftige Fahrradständer in allen denkbaren Variationen zu bestaunen: Von Plastikbügeln, die im Aussehen doch noch sehr an die bekannten Felgenkiller erinnerten bis hin zur abschließbaren Hundehütte für das Mountain-Bike und der holländischen vollelektronisch gesicherten Abstellbox.

Fahrradständermäßig leben wir noch in der Steinzeit, beim Übergang zur Eisenzeit, meinte Ursula Lehner-Lierz vom Planungsbüro Südstadt in Köln, und zeigte dazu ein Dia eines X-beliebigen Fahrradständers. Für einen Autoparkplatz würde jede erdenkliche Hightech eingesetzt, Fahrradparkplätze müßten vor allem eines sein: platzsparend und billig, so die gängige Praxis. „Was am Radfahren hindert, das ist oft das Problem am Anfang und am Ende der Fahrt.“ Ordentliche Abstellplätze bringen Autofahrer zum Rad.

Doch was heißt „ordentlich“? Nein, eine Untersuchung über den Bedarf sei noch nicht angestellt worden, meinte Helmut Mück, Prokurist einer Parkplatzgesellschaft am Ende seines Vortrages. Da hatte er ein bißchen maulig und enttäuscht beklagt, daß das frisch eingerichtete Fahrradeckchen in einem Autoparkhaus in Hannover kaum genutzt würde. Daß das viele vorausgesagt hatten, weil das Parkhaus viel zu weit von der Innenstadt entfernt sei, das deutet doch eher darauf hin, daß an vielen Orten am Bedarf vorbeigeplant wird.

Utrecht, Groningen, Leiden — wahre Lobeshymnen wurden auf die Fahrradfahrernation Holland ausgeschüttet. In Utrecht werden gerade 6.000 Abstellplätze für Fahrräder gebaut. Während in Deutschland der Radfahrer immer noch das unbekannte Wesen ist, haben die Holländer wenigstens den Bedarf ermittelt. Und sie erproben. Das zeigte der Vortrag von Han Julius, der in der Serviceabteilung der Niederländischen Eisenbahngesellschaft über die besten Radabstellgelegenheiten an Bahnhöfen brütet. Richtige Radhochhäuser und Großanlagen werden da getestet. Deutsche PlanerInnen staunen und zitieren reihenweise holländische Modelle.

Ein gut besuchter Kongreß. Schade nur, daß bei den letzten Haushaltberatungen der Radverkehr vergessen wurde und es in bremischen Behörden niemanden gibt, der mit der Planung des Radverkehrs beschäftigt wäre. Wer setzt die guten Ideen um? J.G.

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