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Frischwind im Deutschrock

■ “Terry Hoax“ aus Hannover spielten im Modernes

„Hoax“ ist eine „komische oder übermütige Täuschung“, und das Tourneeplakat von „Terry Hoax“ ist eindeutig „a hoax": Einem alten, traurigen Clown tropft da eine große Träne aus dem Auge, während am Mittwoch abend fünf Jugendliche auf der Bühne des Modernes mit schon fast naiver Konsequenz gute Laune verbreiteten.

Auf einem permanent gleichhohen Energielevel wurde Rockmusik gespielt, als wäre dies ein frisches, unverbrauchtes Genre und nicht der altgewordene Musikstil im eher traurigen Zustand, bei dem viel abkassiert wird und wenig Neues zu hören ist. Aber die fünf Hannoveraner mischten die traditionellen Gitarrenriffs, Songformeln und Attitüden mit soviel Fantasie und Enthusiasmus, daß man mitgerissen wurde, auch wenn man Textstellen wie We wanna touch the sky, When love is gone oder From love to hate and back eigentlich nie mehr hören wollte.

Aber genau solche Klischees gehören zur Rockmusik und der Charme von „Terry Hoax“ liegt darin, daß sie fast puristisch und ganz klassisch Rock spielen und diesen mit neuer, jugendlicher Unschuld aufladen.

Das liegt in erster Linie am Sänger Perau, der mit einer erstaunlich wandlungsfähigen Stimme und viel Bühnenpräsens das Publikum vom ersten Song an auf seiner Seite hatte. So konnte er auch ohne viel Risiko von der Bühne in die Zuschauer springen, die ihn kurz armhoch über ihren Köpfen schweben ließen, und beim zweiten Mal sogar wieder auf die Bühne zurückhoben.

Die Band spielte wie aus einem Guß (selbstverständlich ohne Keyboarder und mit einem Lead- Gitarristen, der sehr aufpassen mußte, damit ihm seine langen Haare nicht zwischen die Saiten gerieten), und sehr schnell erkannte man den eigenen, unverbrauchten Ton der Band, die es schaffte, jeden Song andern klingen zu lassen, obwohl sie sich im Grunde sehr ähnelten.

Die Bremer Vorgruppe „The Babbits“ hatte dagegen ein abwechslungsreicheres Repertoir, und die Songs waren viel raffinierter instrumentiert und arrangiert. Trotzdem blieb ihr Auftritt im Vergleich seltsam blaß, und der Videokameramann, der pausenlos auf der Bühne herumkroch, um seine Aufnahmen zu machen, verdarb die Konzertstimmung gründlich.

Terry Hoax“ könnte aber ganz nah am großen Erfolg sein — das Moderne war schon diesmal sehr gut gefüllt, beim nächsten Konzert ist es vielleicht schon zu klein für diese Band.

Willy Taub

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