Erdbeben wartet auf AKW Mülheim-Kärlich

■ Entscheidung um Aus wieder verschoben

Berlin (taz) – Noch ist es schön am Rhein. Aber möglicherweise geht das seit viereinhalb Jahren stilliegende Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich doch wieder ans Netz. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hob gestern jedenfalls das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Koblenz auf, das AtomkraftgegnerInnen vor knapp zwei Jahren voreilig als endgültiges Aus für den veralteten 1.300-Megawatt- Meiler gefeiert hatten. Das OVG muß nun in einer neuen Verhandlung über die Sicherheit des erdbebengefährdeten Atomstandorts verhandeln.

Der Essener RWE-Konzern, Betreiber des Kraftwerks, kündigte unmittelbar nach dem Berliner Richterspruch an, den Reaktor so schnell wie möglich wieder in Betrieb nehmen zu wollen. Ein entsprechender Antrag werde unverzüglich bei der Mainzer Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) eingereicht. Im taz-Interview erklärte die Ministerin, sie werde die anstehende Entscheidung „im Rahmen der Gesetze“ fällen. Allerdings sei Mülheim-Kärlich „eines der neueren Kraftwerke“ etwa im Vergleich zum AKW Obrigheim, dem erst vor kurzem eine neue Betriebsgenehmigung erteilt worden sei. Ministerpräsident Scharping hatte vor seiner Wahl im vergangenen Jahr mehrfach erklärt, unter einer SPD-geführten Regierung werde das seit 1988 stillgelegte Kraftwerk nicht wieder ans Netz gehen.

Nach den Städten Neuwied und Mayen, die den Rechtsstreit der vergangenen Jahre vorwiegend ausgefochten hatten, werden nun weitere Kläger den Rechtsstreit vor dem OVG Koblenz fortführen. Deren Anwalt Wolfgang Baumann zeigte sich gestern optimistisch, die Wiederinbetriebnahme noch verhindern zu können. Der Abgeordnete der Grünen im Mainzer Landtag, Dietmar Rieth, warnte Ministerpräsident Scharping, dem RWE-Antrag auf Sofortvollzug der Betriebsgenehmigung nachzukommen. Damit „würde er hinter die Position der CDU-geführten Vorgängerregierung zurückfallen“, sagte Rieth. gero Seiten 7 und 10