: Frühlingsfibel für Hansestädter
Veilchen oder Stiefmütterchen: Was blüht da eigentlich? / Knallharte Taktik der ■ Frühblüher
Die Maikäfer kommen auch in diesem Jahr nicht. Aber so ganz auf naturnahe Frühlingserlebnisse müssen die Hamburger in den nächsten Wochen nicht verzichten. Veilchen, Buschwindröschen, Sauerklee und Scharbockskraut künden auch in den hanseatischen Wäldern und Parks den Lenz an.
Man muß allerdings schon mal genau hingucken und im alten Biologiebuch nachschlagen. Im Moos versteckte Veilchen werden sonst leicht zu „Mini-Stiefmütterchen“. Buschwindröschen, auch Anemonen genannt, sind dagegen kaum zu übersehen, denn der Waldboden ist mit ihren weißen Blüten verschneit. Erste Frühlingsboten, die das Erwachen der Natur ankündigen und dereinst mit viel Herzschmerz herbeigesehnt und -gesungen wurden.
Ökologisch gesehen nutzen die zarten Veilchen aber knallhart den Vorteil derer, die zuerst kommen. Durch frühzeitiges Blühen entgehen sie dem Konkurrenzkampf ums Licht, den sie später im Jahr mit den anderen Gewächsen führen müßten. Im Frühjahr, wenn Bäume und Sträucher noch ohne Blätter sind und das Gras niedrig, dringt das Licht noch ungehindert bis auf den Waldboden. Nicht mehr lange.
Spätestens im Mai sind die meisten Frühblüher verschwunden. Wenn die Bäume ausschlagen, ziehen Veilchen, Schlüsselblumen und Buschwindröschen ihre Blätter ein und rüsten sich fürs nächste Frühjahr mit Knollen, Zwiebeln und Sprossen, in denen sie Nährstoffe speichern.
Nur weil sie mit diesen unterirdischen Vorratskammern überwintern, können die Frühlingsboten so schnell sprießen und blühen, sobald es wärmer wird. Kalten Winden, Schnee- und Regenschauern im März und April widerstehen die Frühblüher durch geschickte ökologische Anpassungen. Sie können bei Frost und Neuschnee Wärme erzeugen und haben Hüllblätter, die sie vor dem Erfrieren schützen.
Das gelbe Scharbockskraut verdankt seinen Namen übrigens der früheren Verwendung als Heilpflanze gegen Skorbut. Die Vitamin-C-reichen Blätter halfen gegen die Mangelkrankheit Skorbut. Allerdings nur vor der Blüte, später entwickelt auch diese Frühlingsblume ein beißendes Gift. Vera Stadie
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen