ÖTV übergibt Errichtungsgesetze

■ Gewerkschaft will Arbeitnehmerrechte bei Umwandlung der Eigenbetriebe in öffentlich-rechtliche Anstalten sichern / Vorlage für SPD, CDU und Verkehrssenator / ÖTV erwartet Auseinandersetzungen

Berlin. Über ein Jahr lang stritten sich CDU und SPD, in welche Rechtsform die Berliner Eigenbetriebe BVG, BSR, BWB und BEHALA künftig umgewandelt werden sollten. Daß die Betriebe dringend einer Modernisierung bedürfen, war Konsens. Nur in welcher Form – das war lange hart umkämpft.

Das Gezerre, ob nun privatisierte Betriebe die Versorgung der Bürger besser sicherstellen können, nahm schließlich Mitte Februar ein Ende. Die Koalitionäre einigten sich darauf, die Eigenbetriebe in Anstalten des öffentlichen Rechts umzuwandeln. Ein erster Sieg für die Gewerkschaft ÖTV, die sich explizit gegen privatrechtliche Unternehmungen ausgesprochen hatte.

Gestern nun präsentierte ÖTV- Vorsitzender Kurt Lange Vorschläge für die Errichtunggesetze, die als Grundlage für die Umwandlung der Eigenbetriebe in öffentlich-rechtliche Anstalten dienen. Im Mittelpunkt der gewerkschaftlichen Vorlage: der Schutz der rund 45.000 Arbeitnehmer in den vier Eigenbetrieben. Denn, so Lange, mit „der Etikette der öffentlich-rechtlichen Anstalt allein ist es nicht getan“. Wichtig sei, was in die Errichtungsgesetze hineingeschrieben werde. Hierzu gehören nach Maßgabe der ÖTV fünf Kernpunkte: Neben den tarifvertraglichen und versorgungsrechtlichen sowie betriebsindividuellen Regelungen müsse auch die betriebliche und die paritätische Unternehmensmitbestimmung, wie sie im Eigenbetriebsrecht verankert ist, weitergeführt werden. Und zudem sollten die Beschäftigungsgarantien des Landes auch in den Anstalten gesichert bleiben.

So will die ÖTV auch, daß die Beschäftigten ein Rückkehrrecht in den unmittelbaren Landesdienst erhalten, wenn über eine erneute Änderung der Rechtsform nachgedacht werde. Dahinter steckt die Angst der ÖTV, daß die öffentlich- rechtliche Anstalt nur als Zwischenschritt zu einer Privatisierung begriffen wird. Nur wenn die Rechte der Arbeitnehmer nicht gefährdet werden, sei „die Lösung der öffentlich-rechtlichen Anstalt für die ÖTV konsensfähig“, konstatierte denn auch gestern Lange.

Eine Teilprivatisierung, bei der zugleich Kernbereiche als Anstalt bewahrt bleiben, wollte Lange nicht gänzlich ausschließen. Dies müsse man „diskutieren“, wenn es sich betriebswirtschaftlich rechne. Strikt verwahrte er sich allerdings dagegen, daraus eine ideologische Auseinandersetzung zu machen und die Diskussion über eine Privatisierung wieder neu zu entfachen. Einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft hatte die Gewerkschaft schon frühzeitig eine Absage erteilt. Nicht nur aus Angst vor dem Verlust von Arbeitnehmerrechten – so wäre die Mitbestimmung bei Kündigungen durch den Personalrat weggefallen. Daneben befürchtete die ÖTV für die Bürger eine 15prozentige Gebührenerhöhung bei Abfall und Abwasser – denn anders als die öffentlich-rechtlichen Anstalten müssen private Entsorger hierfür zusätzliche Abgaben an den Fiskus entrichten. Die jetzige Lösung ist für die ÖTV zufriedenstellend und birgt gleich mehrere Vorteile. So werde die Anstalt aus der Landeshaushaltsordnung weitgehend ausgekoppelt und könne somit flexibler auf dem Markt agieren und beispielsweise Tochtergesellschaften im Umland gründen oder bei Neuanschaffungen von Gerät und Technik mit den Anbietern nachverhandeln. Harte Auseinandersetzungen erwartet Lange noch bei der Frage, welche Dienstleistungen die Anstalten künftig zusätzlich anbieten könnten. Vorstellbar sei nämlich, daß die BVG – was ihr bisher verwehrt ist – auch Stadtrundfahrten veranstaltet. Severin Weiland