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Türkei streitet um Einsatz in Somalia

■ Gefährdet UNO-Kommando „muslimische Solidarität“?

Istanbul/Mogadischu (IPS/ AFP) – Der Kommandant der künftigen UN-Mission für Somalia (Unosom II), der türkische General Cevik Bir, ist am Montag in Mogadischu eingetroffen. Nach dem Vorschlag von UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali soll Unosom II am 1.Mai die von den USA geleiteten Operation „Neue Hoffnung“ ersetzen und 28.000 Soldaten und 2.800 Zivilisten umfassen.

Der Regierung in Ankara ist eine Beteiligung des eigenen Militärs hochwillkommen, nicht aber den Islamisten und Oppositionellen im Land. Diese befürchten, daß die Solidarität der Muslime leiden könnte. Auch die Sorge, daß türkische Soldaten für die Vereinten Nationen ihr Leben lassen, wird stärker betont, seitdem General Bir vor zwei Wochen von Somalis mit Steinen beworfen wurde, als er sich mit einer Beobachtergruppe in Mogadischu aufhielt.

„Eine stärkere türkische Beteiligung in Somalia bringt nichts anderes als Gefahr“, warnt General Muhsin Batur, Luftwaffen-Kommandeur im Ruhestand. „Die USA haben einen Fehler begangen, indem sie alleine in Somalia intervenierten. Jetzt bemerken sie die Fehleinschätzung, wollen ihre Hände in Unschuld waschen und die Verantwortung für das Chaos in Somalia anderen — besonders der Türkei — zuschieben.“

Vor allem islamistisch ausgerichtete Muslime befürchten, daß die Türkei nun die Suppe auslöffeln soll, die von den USA eingebrockt worden sei. Einige vertreten die Ansicht, daß Somalia von den USA und den Vereinten Nationen „besetzt“ sei. Und in der Tageszeitung Zaman heißt es in einer Kolumne: „Wie sollen wir denn reagieren, falls Somalis das Feuer auf türkische UN-Soldaten eröffnen würden? Müßten wir unsere moslemischen Brüder erschießen, um den USA zu nutzen, die nur wegen der somalischen Ölvorkommen dort intervenierten?“

Der große Optimismus, den die türkische Öffentlichkeit in Sachen UN-Truppen anfangs zeigte, ist inzwischen umgeschlagen. Seit General Bir von den protestierenden Somalis attackiert wurde, wächst der Druck auf die Regierung, sämtliche Soldaten aus dem nordostafrikanischen Land abzuziehen.

Premierminister Suleyman Demirel konterte ungehalten: „Wir können nicht einfach, weil etwas Unangenehmes geschehen ist, sagen: Nun gut, jetzt reicht‘s, gehen wir eben nach Hause. Wir können das Ansehen der Türkei nicht aufs Spiel setzen.“ Die Antwort rief Kritiker auch aus nicht-islamistischer Richtung auf den Plan. Sie meinen, daß es der Regierung nicht um die Hungernden in Somalia, sondern um die außenpolitische Aufwertung der Türkei gehe.

Kontrovers wird die Frage auch in der größten türkischen Tageszeitung Hurriyet diskutiert. Ganz im Sinne Demirels kommentierte Ertugrul Ozkok: „Die Übernahme des Oberkommandos über die UN-Truppen ist ein Teil der ernsthaften türkischen Außenpolitik. Sie bedeutet, daß das Land dem Ziel, einen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erhalten, einen Schritt näherkommt.“ Sein Kollege Sedat Ergin plädiert dagegen für den Aufschub der Entsendung türkischer Soldaten: „Genauso indiskutabel wie ein Rückzug ist es, die türkische Jugend zu einer solch kontroversen Mission zu entsenden.“

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