Atomares Labyrinth

■ Die Irrwege der SPD beim Versuch, aus der Atomenergie auszusteigen

auszusteigen

Der Ruf nach einem sofortigen, zumindest schnellen Ausstieg aus der Atomenergie ist nach dem Risse-Debakel im AKW Brunsbüttel lauter geworden. Aber auch die Leukämieerkrankungen im Umfeld des AKW Krümmel und die Schlampereien bei dessen Bau setzen insbesondere die schleswig-holsteinische SPD-Landesregierung massiv unter Druck. Wie schwer sich die SPD insgesamt mit dem von ihr gewollten Ausstieg tut, wurde in einem Gespräch am Rande einer Podiumsdiskussion des „Forum Klimabündnis Hamburg“ deutlich.

Insgesamt, so Ralf Stegner vom Kieler Energieministerium, seien die ausstiegswilligen Bundesländer relativ machtlos. Niemand dürfe sich der Illusion hingeben, die gefundenen Risse in den Brunsbüttler Schweißnähten würden den Ausstieg irgendwie beschleunigen. Es scheint, als gehe Stegner davon aus, daß der Streit, ob die Risse herstellungs- oder betriebsbedingt seien, enden würde wie das Hornberger Schießen. Jedenfalls hält er es für unwahrscheinlich, daß Brunsbüttel bald endgültig stillgelegt wird. Anders schätzt der Ministeriumssprecher die Lage in Krümmel ein. Die unlängst bekannt gewordenen Hinweise, daß beim Bau dieses AKWs im Suff gepfuscht und geschlampt wurde, würden bei Zeugenvernehmungen von Tag zu Tag immer drastischer bestätigt werden. Stegner könne sich schon vorstellen, daß am Ende der Ermittlungen das Aus für das AKW Krümmel stehen werde.

Auch der umweltpolitische Sprecher der Hamburger SPD-Bürgerschaftsfraktion, Jens Peter Petersen, möchte den Ausstieg. Doch auch er dämpft den Optimismus. Zwar hält Petersen, ebenso wie Stegner, eine Energiesteuer für notwendig, zum Beispiel auf elektrische Dosenöffner oder Fingernagellacktrockner. Aber als ersten Schritt den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) zu verbieten, Werbung für mehr Stromverbrauch zu machen, sei nicht möglich. Denn das Aktienrecht zwinge die HEW sogar zur Gewinnmaximierung.

Den Einwand, die städtische Wohnungs-Aktiengesellschaft Saga sei doch von Bausenator Eugen Wagner (SPD) aus politischen Gründen gezwungen worden, Verluste zu machen, läßt Petersen nicht gelten. Die Mehrheitsverhältnisse in beiden Gesellschaften ließen sich nicht miteinander vergleichen. Zwar würden auch die HEW in einem Punkt unwirtschaftlich arbeiten, nämlich mit der Verwendung der wesentlich teureren MOX-Brennelemente in Brunsbüttel, räumt Petersen ein. Doch dies sorge immerhin dafür, daß das waffenfähige Plutonium vom weltweiten Schwarzmarkt verschwinde.

Insgesamt schätzen Stegner und Petersen die Ausstiegs-Möglichkeiten der Länder sehr gering ein, denn über allem stünden das Atomgesetz und Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU). Bliebe eine Initiative im von der SPD besetzten Bundesrat, um diese Abhängigkeit von der Bundesregierung zu verändern. Dies aber halten beide für keinen gangbaren Weg, weil nicht einmal dort ein derartiges Ansinnen mehrheitsfähig sei. Kein Ministerpräsident oder zuständiger Energieminister eines Bundeslandes hole sich freiwillig ein blaues Auge. Beide hoffen deshalb weiter auf einen Regierungswechsel in Bonn.

Und dann ...? Norbert Müller

Demo zur Stillegung am Sa., 20. März, ab 11 Uhr in Brunsbüttel/Alter Marktplatz