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Angst vorm „schwarzen Mann?“

Immigranten aus Ghana: Warum sie kommen und wie sie leben in einem Land, das sie nicht akzeptiert. Hintergründe und Informationen  ■ Von Jos Ajabo Mauersberger

In den hiesigen Medien werden ImmigrantInnen aus Ghana, die einen relativ hohen Anteil an der afrikanischen Bevölkerung in Europa stellen, immer wieder pauschal als Drogenhändler, Betrüger, Prostituierte, sowieso als „Wirtschaftsflüchtlinge“ hingestellt. So berichtete der Spiegel (Nr. 46/1992, Seite 61) erschauernd, daß von den 17.854 in den alten Bundesländern gemeldeten Ghanaern angeblich 6.099 (34 Prozent) einer Straftat verdächtig seien – natürlich ohne auf Hintergründe und Art der „Delikte“ näher einzugehen.

Aus der Tatsache, daß in den letzten zwei Jahrzehnten viele Ghanaer ihr Land verlassen haben, läßt sich keinesfalls schließen, daß diese nun alle in die Bundesrepublik gekommen wären; die überwiegende Mehrzahl der Exilanten lebt in den Nachbarländern Ghanas, nur ein kleiner Teil überquerte den afrikanischen Kontinent in Richtung Amerika, Asien, Australien und Europa. Hauptgrund für den Exodus waren die häufigen Militärputsche, die dem Sturz Dr. Kwame Nkrumahs (1966) folgten – des charismatischen Mitbegründers der panafrikanischen Einigungsbewegung. Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1957 erlebte Ghana die verschiedensten Regierungssysteme – von der parlamentarischen Demokratie über sozialistisch orientiertes Einparteiensystem bis zur prowestlichen Militärdiktatur. Die verschiedenen Regierungen plünderten einen Großteil von Ghanas Ressourcen, um Waffen und Luxusgüter aus Europa zu kaufen. Zwischen 1960 und 1980 hatte Ghana den vierthöchsten Rüstungshaushalt Schwarzafrikas – nach Südafrika, Nigeria und Zaire. Die europäischen Waffen wurden gegen die jeweilige Opposition eingesetzt und somit Flüchtlinge produziert, die im Ausland Schutz suchten.

Ghana ist heute eine Fallstudie für den IWF und die Weltbank. Der ökonomische Niedergang des früher als sehr stabil geltenden Landes begann Ende der sechziger Jahre mit dem Rückgang der Kakao-Produktion und hatte seinen Tiefpunkt 1983, so daß Ghana sich schließlich gezwungen sah, beim IWF einen Kreditvertrag zu unterschreiben. Dies hatte schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung, da der Vertrag wie üblich gekoppelt war an massive Kürzungen im öffentlichen Dienst sowie mit zahlreichen Entlassungen im sozialen und Bildungssektor, Privatisierung von Staatsbetrieben und die Kontrolle des IWF über die Infrastruktur.

Ein Großteil der ImmigrantInnen kam in den siebziger Jahren hierher – die damals erfolgte Ausweisung der Ausländer aus Ghana bedeutete nämlich gleichzeitig Unsicherheit und Verfolgung für die dortige Opposition. Die sozialen Folgen der sogenannten Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds ließen ab 1984 die Auswanderungszahlen zusätzlich ansteigen.

Die ersten Ghanaer, die in die Bundesrepublik kamen, erhielten noch relativ unbürokratisch politisches Asyl beziehungsweise Aufenthaltsgenehmigungen. Viele faßten hier wirtschaftlich Fuß, andere studierten, einige heirateten deutsche Partner und haben Kinder, die mittlerweile schon erwachsen sind und die dritte Generation Ghanaer großziehen.

Die größte Gruppe Ghanaer in Deutschland mit offiziell 3.566 lebt übrigens in Hamburg, dort ist es auch am einfachsten, Kontakte zu Landsleuten zu knüpfen. In Berlin gibt es (laut amtlicher Aussage) gegenwärtig 1.324 Ghanaer, davon 35 StudentInnen. Seit 1988 haben hier außerdem 318 Menschen aus Ghana Asyl beantragt. Die Anerkennungsquote beträgt (erstinstanzlich) in der BRD rund 0,3 Prozent, was allerdings nicht sehr viel besagt angesichts der Tatsache, daß nur 0,1 Prozent der Flüchtlinge aus Mobutus Zaire anerkannt werden.

Die Ghanaer in der Bundesrepublik sind recht gut organisiert, vor allem in der vor zwei Jahren gegründeten „National Union of Ghanians“, einem Dachverband mit örtlichen Gruppen in mehreren Städten. Ziel des Verbandes ist die Zusammenfassung der hier lebenden Ghanaer und die Verteidigung ihrer Rechte, beispielsweise hilft er beim Kampf um gültige Papiere oder das Aufenthaltsrecht. Leider muß sich die „Union“ in letzter Zeit häufig um Landsleute kümmern, die sich wegen angeblichen „Asylmißbrauchs“ zu verantworten haben.

Nicht zuletzt infolge reißerischer, diffamierender Berichterstattung in den Medien (s.o.) werden insbesondere Neuankömmlinge aus Ghana von den bundesdeutschen Behörden äußerst streng überprüft und in Sammellager verfrachtet, von wo aus die Kontaktaufnahme zu Landsleuten sehr schwierig ist. Dazu kommt, daß die Echtheit ihrer Papiere seitens der deutschen Stellen oft von vorneherein erst einmal angezweifelt wird, seien es Visa oder selbst die Schulzeugnissse derer, die hier studieren wollen. Die Ghanaer, die jetzt noch nach Deutschland kommen, werden es also sehr viel schwerer haben als ihre Landsleute vor ihnen, falls sie nicht ohnehin schon an der Grenze zurückgeschickt werden.

Wie der Vorsitzende der bereits seit sieben Jahren existierenden „Ghana-Union Berlin“, Dr. William F. Mends, berichtet, sind Ghanaer in den verschiedensten beruflichen Branchen vertreten. Sie sind Ärzte, Unternehmer und Angestellte. Die Ghana-Union nimmt selbst aktiv an zahlreichen kulturellen Aktivitäten teil. Die örtlichen ghanaischen Verbände haben einen relativ guten Draht zu den Ausländer- und Kulturbehörden und nehmen regelmäßig an offiziellen Veranstaltungen und Demonstrationen teil. „Nach der Ermordung des Angolaners Antonio Amadeu in Eberswalde“, erzählt Dr. Mends, „haben wir zusammen mit den anderen afrikanischen Gruppen hier in Berlin eine Demonstration auf dem Ku'damm organisiert – doch obwohl überraschend viele Menschen unserem Aufruf gefolgt sind, fand diese Aktion in der Presse keine angemessene Resonanz.“ Inzwischen gibt es sogar eine Telefonkette der Ghanaer, damit sie sich bei aktuellen Anlässen informieren können.

Die Ghana-Union organisiert und fördert Selbsthilfeprojekte in ihrem Heimatland, beispielsweise sammelt sie Spenden für Unterrichtsmaterialien, Medikamente etc. Viele Ghanaer, die hier gelebt haben, sind zusammen mit ihren Familien nach Hause zurückgekehrt. Wie zahlreiche andere interkulturelle Verbände wird sich auch die Ghana- Union in diesem Jahr mit verstärkten materiellen Schwierigkeiten konfrontiert sehen, weil nämlich der Senat seine finanzielle Unterstützung für solche Projekte zusammengestrichen hat. Ein großes Problem ist der Mangel an Versammlungsräumen, und ein eigener Clubraum wäre unerschwinglich.

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