Ein Bonbon von der Bundesbank

Zentralbankrat belohnt die Bonner Sozialpaktierer mit einer Senkung der Diskontzinsen um ein halbes Prozent/ Bundesbanker wollen ihre Politik der kleinen Schritte fortsetzen  ■ Von Donata Riedel

Berlin/Frankfurt/Main (taz/AP/ dpa) – Mit einem Bonbon haben die Bundesbanker gestern die Bonner Solidarpaktierer belohnt. Der Zentralbankrat, das höchste Entscheidungsgremium der Notenbank, senkte einen der Leitzinsen, den Diskontsatz, von 8,0 auf 7,5 Prozent. Zu diesem Zinssatz können sich die Banken ab heute mit Geld versorgen. Den Lombardsatz allerdings ließ die Bundesbank unverändert bei neun Prozent. Zu diesem zweiten Leitzinssatz können sich die Banken weitere Liquidität zuteilen lassen, wenn das begrenzte Diskont-Geld erschöpft ist. Mit den Leitzinsen beeinflußt die Bundesbank die Kosten für Kredite und damit indirekt die Kosten von Investitionen. Hohe Leitzinsen sollen vor allem als Inflationsbremse wirken, niedrige die Wirtschaft in Flautezeiten ankurbeln helfen.

Die angekündigte Rücknahme um einen halben Prozentpunkt war weniger, als allgemein an den Aktien- und Devisenmärkten erwartet worden war. Dort wurde auf eine Senkung sowohl von Diskont- wie auch Lombardsatz um 0,5 Punkte spekuliert. In der ersten Euphorie nach Verabschiedung des Solidarpakts hatten sogar viele Börsianer auf eine Senkung der Leitzinssätze um ein ganzes Prozent gehofft.

In einer ersten Stellungnahme teilte die Bundesbank mit, die Rücknahme des Diskontsatzes gebe ihre Politik einer schrittweisen Senkung der Leitzinsen wider. Offenbar wollen die Währungshüter zunächst abwarten, wie sich die Inflation (derzeit vier Prozent) entwickelt. Daß sie den Diskontsatz überhaupt senkten, hat neben der Verabschiedung des Solidarpakts mit den niedrigen Lohnabschlüssen und vor allem mit der Geldmenge M3 zu tun, die in den ersten zwei Monaten des Jahres um 0,1 Prozent geschrumpft ist. Zur Geldmenge M3 zählen Bargeld, Sichteinlagen, Termineinlagen unter vier Jahren und das Geld auf Sparbüchern. Die Bundesbank versucht, das Wachstum der Geldmenge zu in einem jeweils festgelegten Verhältnis zum Wirtschaftswachstum zu begrenzen, um der Inflation vorzubeugen. Im Vergleich zum Vorjahr liegt M3 nunmehr um sieben Prozent höher. 1993 soll sie nach den Vorgaben der Bundesbank aber nur zwischen 4,5 und 6,5 Prozent zunehmen. Noch im vergangenen Jahr hatte sich M3 mehr als doppelt so stark aufgebläht, wie von der Bundesbank angepeilt.

Kaum war die Entscheidung der Bundesbank bekannt, suchten Frankfurts Finanzexperten nach plausiblen Erklärungen dafür, warum sie so und nicht anders ausgefallen ist. Die Entscheidung zur Senkung des Diskontsatzes müsse man jetzt in einer Reihe weiterer Zinssenkungsschritte sehen. Der Lombardsatz sei deshalb nicht ermäßigt worden, um die Lücke zwischen den beiden Leitzinssätzen wieder auf ein normales Maß zu bringen, mutmaßten beispielsweise die Volkswirte der Deutschen Bank. „Mit den 1,5 Prozentpunkten Differenz ist die Normalität wiederhergestellt.“

Vermutlich jedoch rührt die Vorsicht der Bundesbanker auch aus der Tatsache her, daß im Solidarpakt das Risiko weiterer Staatsverschuldung, eine Hauptursache für das enorme Geldmengenwachstum im vergangenen Jahr, nicht gebannt worden ist.

Für Commerzbank-Sprecher Peter Pietsch kann aber auch das Zinsbonbon die latente Unruhe auf den Devisenmärkten dämpfen, auch wenn diese mindestens einen Schokoriegel erwartet hatten, und die Wachstumskräfte in Deutschland stärken. Im Ausland reagierte als erste Dänemarks Nationalbank, die ihren Diskontsatz von 10,5 auf 10 Prozent senkte.