Die Kunstform dieser Generation verbreiten

■ Ab heute gastiert Black Blanc Beur bei den Tanztheaterwochen / Ein Gespräch mit der Choreografin Christine Coudun

INTERVIEW

Die Kunstform dieser Generation verbreiten Ab heute gastiert

Black Blanc Beur bei den Tanztheaterwochen/Ein Gespräch mit der Choreografin Christine Coudun

Was heißt Rapetipas?

Es ist ein Wortspiel aus Rap und Pas (franz. Schritt). Außerdem bezieht es sich auf die französischen Choreografen Roland Petit und Marius Petipa.

Rap ist immer eine Möglichkeit gewesen, sich politisch zu äußern. Findet das Eingang in deine Arbeit?

Für mich und Jean Djemand ist es das politische Engagement, mit diesen Leuten zu arbeiten. Für die Tänzer aber ist Rap die Musik ihrer Generation und unabhängig von politisch oder nicht, es ist einfach ihr Ausdrucksmittel. Es ist natürlich Tanz ohne Worte und deshalb ist es nicht einfach zu sagen, das ist politisch.

Nun gibt es gerade in den USA die starke Polarisierung zwischen politischem Rap und Pop-Rap. Bezieht ihr mit eurem Stück in dieser Hinsicht eine Position?

Im Vergleich zu den USA ist der Rap in Frankreich weit weniger politisch. Das liegt auch daran, daß es hier nicht schon seit Generationen schwarze Einwanderer und keine Apartheid gab wie in den USA. So

1gab es hier auch nicht die Ghetto- Kultur, aus der der schwarze politische Kampf entwachsen ist. Es sind viel jüngere Einwanderer aus Nordafrika, die den Rap als Ausdrucksform für ihre Probleme wählen. Das ist zwar irgendwie auch politisch, aber nicht primär.

Aber bietet nicht gerade der Rassismus, also das Hauptthema des politschen Raps, ein Bindeglied zwischen Alltag und Politik, gerade in der Auseinandersetzung mit der Le Pen-Bewegung?

Ich bin nicht der Meinung, daß es tatsächlich der Rassismus ist, der sich weiter ausbreitet. Es sind vielmehr ökonomische Probleme, die diese Folgeprobleme auslösen. Wenn ich Nachrichten aus Deutschland oder Frankreich höre, dann bekomme ich das Gefühl, daß hier eine unheimliche Paranoia herrscht, als würde hinter jeder Ecke der Rassismus lauern. Aber das ist überhaupt nicht wahr. Das Problem begründet sich aus ökonomischen Minderheiten, die ökomomische Probleme auslösen, die dann zu solchen Erscheinungen füh-

1ren. Außerdem, wenn ich von Rassismus spreche, dann muß ich auch von unterschiedlichen Rassen sprechen, und das will ich nicht.

Was ist für dich der zentrale Aspekt bei Rapetipas?

Es gibt für dieses Stück speziell keine „Aussage“. Es geht mir grundsätzlich darum, daß ich Rap und die dazugehörigen Tanzformen verbreiten möchte. Ich will, daß es nicht nur als Mode, sondern als wirkliche neue Bewegung bekannt wird. Als Kunstform dieser Generation. Ich arbeite mit Menschen, die ihr Leben lang Rap gehört haben, die nichts anderes kennen, die nicht zur Schule gegangen sind. Das ist ihre Art Intelligenz, mit dem, was sie bekommen und aufgenommen haben, umzugehen.

Ist das Stück anekdotisch?

Ja und nein. Es ist schwierig Anekdoten choreografisch umzusetzen, aber das Stück erzählt schon von den Ursprüngen des Rap. Es wird die Geschichte des „Erfinders“ des Raps Afrika Bambaataa erzählt, der Ende der 70er aus Jamaica nach New York in die Bronx kam und dort als DJ mit dem typischen Rappen begann. Rap ist ja ein Ars povera und so hat Bambaataa mit alten Platten angefangen und mit Strom, den er vom Straßenlicht abgeknapst hat. Mit dieser Anekdote beginnt das Stück. Danach versuchen wir, verschiedene Einflüsse des HipHop aufzuzeigen wie Bandenkultur oder west-afrikanische Tänze. Der zweite Teil des Abends besteht hauptsächlich aus Verweisen und Anspielungen an berühmte HipHop-Gruppen und Tanzrichtungen. Raggamuffin, Gangsta-Rap undsoweiter. Mit Ragamuffin kehrt die Bewegung nun auch zu den Wurzeln des Rap nach Jamaica zurück. Der Dritte Teil des Abends dreht sich dann um den intellektuellen Rap, etwa Digital Underground.

Wie ist das Verhältnis von der Choreografin zu den Tänzern?

Ich lasse sie machen, was sie wollen, damit das Individuelle hervortritt und auf diesem Wege eine Choreografie entsteht, die eigentlich genau andersherum arbeitet wie gewöhnlich.

Was bedeutet der Wahlsieg der Rechten für die Freien Theater?

Mit dem Rechtsruck bei den Wahlen wird es in Zukunft natürlich große Probleme geben. Die ganzen Compagnien, die in den letzten acht Jahren subventioniert wurden, davon wird mindestens die Hälfte verschwinden. Fragen: Till Briegleb

Bis 27.3., Kampnagel 6, 20.30 Uhr