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Gracias, Eckart Witzigmann! Von Thomas Pampuch

Der schon den Alten bekannten Tatsache, daß die Welt gut ist und – je nun – auch mal schlecht, verdanken wir die schönen lateinischen Begriffe bonus und malus. Als Substantive treiben sie sich gern in der Welt der Prominenten herum, vor allem, wenn es diesen juristisch ans feine Leder geht. Tritt ein Star welcher Provenienz auch immer vor den Kadi, so ist unvermeidlich in der wachsamen Presse von Prominentenbonus respektive -malus die Rede, und der Kadi, qua Amt Spezialist in Fragen des Guten und Bösen, hat dann seine liebe Not. Daß man in solchen Fällen bei der Urteilsfindung nachgerade nach den Sternen haschen muß, erfuhr der Vorsitzende Richter Schmitz des Münchner Amtsgerichts anläßlich des ersten bayerischen Michelin-Prozesses: das Volk gegen Gaumen- alias Nasen-Ecki.

In der Sache ging es um die Frage, ob Deutschlands einziger Drei- Sterne-Koch Witzigmann in seinem Edelfreßschuppen „Aubergine“ das Niveau mit unlauteren Mitteln gesteigert hatte. Wo Katrin Krabbe und Ben Johnson tief in die schmutzige Chemiekiste gegriffen hatten, da hatte sich der Bocuse-Eleve Eckart W. naturreines (wenn auch veredeltes) Erythroxylum coca aus besten Anbaugebieten appliziert und war mit seiner „Aubergine an Schneerand“ jahrelang von Medaille zu Medaille geeilt. Doch dann kam eine eifersüchtige Möpsin in seine Küche und legte ihm ein Ei. Die Verschmähte zeigte den Koch wegen Koksens an. Hei, war das ein Fressen für die Klatschpresse.

Denn nun ging es rund. Witzigmann solle die ganze Schärfe des Gesetzes zu spüren bekommen, tobte das Starkbier-Establishment der Landeshauptstadt, „Danke schön Witzigmann!“ und „München braucht Witzigmann“ nasalierte in einer halbseitigen SZ-Anzeige das schicke München von Feinkost Käfer bis zum Gourmet Journal zurück. Die bayerische Regierung werde an die Witzigmann-Freunde keine Aufträge mehr vergeben, lallte Stoibers Pressestelle, Stoiber wird dann eben der Kaviar entzogen, tuschelte die Gourmetecke. Bonus gegen Malus, Kehle gegen Nase, München, die barocke Stadt der Lüste, hatte seine moralisch-kulinarische cocs célèbre.

Letzten Donnerstag nun kam Richter Schmitz nach eineinviertel Stunden Beratung mit zwei Jahren auf Bewährung nieder. Ein Urteil, mit dem er in jedem internationalen Gerichtsführer glatt zweieinhalb Sterne auf Bewährung kriegen könnte. Neues Ungemach droht Witzigmann allerdings vom Münchner Kreisverwaltungsreferenten Uhl, CSU. Der will der Aubergine die Lizenz entziehen („es fehlt die tätige Reue“) und Witzigmann nach Österreich ausweisen. Felix Austria.

Geopolitisch hat der Fall einen noch interessanteren Aspekt. Die Bolivianer rühmen sich inzwischen, die wahren Urheber höchster europäischer Kochkunst zu sein. Ohne ihre Koka, sagen sie, hätte es Witzigmann höchstens bis zum Big Mac gebracht. Siehe die verdammten Amis, die immer die Kokafelder abbrennen. Witzigmann sollte Schmitzens Empfehlung ernst nehmen, zwei Jahre ausspannen und in La Paz eine Volksküche aufmachen. Das hat er sich verdient. Das Kreuz des Südens hat vier Sterne. Und die gibt's umsonst, ohne Streß, ohne Bo- und ohne Malus.

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