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Simple Art des Pressing

■ Länderspiel Schottland - Deutschland 0:1 / Elf unbekannte Schotten spielten und rannten den Weltmeister nieder

Berlin (taz/dpa) – Eines läßt sich mit Gewißheit sagen: den Champagner, den Berti Vogts der schottischen Fußball-Nationalmannschaft für die Hilfestellung bei der EM in die Kabine gebracht hatte, haben die Spieler wider Erwarten nicht vor dem Match getrunken, mit ziemlicher Sicherheit aber danach. Zwar verlor das junge B-Team, in dem mit Tom Boyd nur ein Stammspieler stand, im Glasgower Ibrox-Park unglücklich 0:1, doch die Mannschaft konnte trotzdem hochzufrieden sein. Wie kaum ein anderes Team in den letzten Jahren setzte sie den Weltmeister unter Druck, ließ den Deutschen keinen Millimeter Raum, trieb sie in eine neunzigminütige Mittelfeldpanik und schwang sich dabei selbst immer wieder zu schnellen, direkten Kombinationen auf. Allein die unglaublichen Reflexe von Torwart Andreas Köpke retteten den unverdienten Sieg der Gäste durch einen Treffer von Riedle nach krassem Abwehrfehler.

Berti Vogts war nach der Partie äußerst unzufrieden: „Es gibt nur zwei positive Dinge zu diesem Spiel: das war einmal die absolute Weltklasseleistung von Köpke und zweitens, daß eine deutsche Nationalelf zum erstenmal in Schottland gewonnen hat.“ Besonders erschüttert war der Bundestrainer darüber, daß die großen Figuren in seinem Team dem Pressing der unbekannten Schotten spielerisch nicht das mindeste entgegenzusetzen hatten. „Wenn man merkt, daß der Weltmeister mit so einer simplen Art unter Druck zu setzen ist, bekommen wir bei der WM noch Probleme.“

Doll, Häßler, Matthäus, der eingewechselte Effenberg, sie alle waren nicht in der Lage, ein sinnvolles Mittelfeldspiel aufzubauen. Besonders Matthäus mußte sich von Vogts hart kritisieren lassen: „Er sollte eigentlich im Mittelfeld das Spiel gestalten, aber ist auch nur mit den Schotten mitgerannt und war auf Positionen, wo er gar nicht hingehörte.“

In der Abwehr hatten sowohl Buchwald als auch Kohler erhebliche Schwierigkeiten mit dem überragenden Mittelstürmer Duncan Ferguson von Dundee United, der Köpke mit einem spektakulären Scherenschlag zu einer Glanzparade zwang und möglicherweise bald im Trikot von Bayern München die Torhüter erschrecken wird. „Überall Kick and Rush“, beobachtete Guido Buchwald, wobei erstaunlich war, daß den deutschen Akteuren erheblich mehr technische Patzer unterliefen als den Schotten. „Wir haben eine hervorragende Nationalmannschaft mit tollen Einzelspielern“, bilanzierte Libero Olaf Thon, der es als einer von wenigen schaffte, die Übersicht zu behalten, „man muß sie nur einsetzen.“ Mit ihrer simplen Art des Pressing wußten dies elf tapfere Schotten nachhaltig zu verhindern. Matti

Deutschland: Köpke - Thon - Buchwald, Kohler - Häßler, Zorc, Matthäus (89. Sammer), Doll (60. Effenberg), Helmer - Riedle, Klinsmann

Zuschauer: 36.400; Tor: 0:1 Riedle (21.)

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