: Klezmorim sind Straßenmusiker
■ The Klezmorim, Klezmokum und das New Klezmer Trio im KITO: Drei Bands, drei Wege
Die Dramaturgie stimmte. Der Auftritt des New Klezmer Trio am letzten Abend des dreitägigen Klezmerfestivals im KITO war sicher der Höhepunkt. Am besten besucht war hingegen der erste Abend mit den Klezmorim.
Die 1975 gegründeten Klezmorim verfolgten das konventionellste musikalische Konzept der drei Ensembles. In kurzen, straff arrangierten Stücken brachten Sheldon Brown (cl), David Barrows (as, ss), Christopher Leaf (tp), Mara Fox (tb), Donald Thornton (tuba) und Dennis Cooper (dr) die traditionelle us-amerikanische Variante der Klezmer-Musik zu Gehör. Die osteuropäischen Melodien werden mit Elementen des frühen Jazz (Ragtime, New Orleans, Swing der 20er) angereichert bzw. Jazzkompositionen ins Repertoire integriert. Das ergibt eine unterhaltsame, brassorientierte Gute-Laune-Musik, die manchmal wie gutgemachte
hier die drei Netten
Das New Klezmer Trio
Zirkusmusik klingt. Der Entertainment-Charakter wird durch routiniert witzige Ansagen der MusikerInnen unterstrichen. Nett, aber nicht aufregend.
Einen etwas anderen Umgang mit den Ursprüngen pflegt das vom us-amerikanischen Pianisten Burton Greene gegründete Quartett Klezmokum. Es bezieht sein Repertoire nicht nur aus dem traditionellen ashkena
sischem (europäisch-jüdischem) Material, sondern verarbeitet auch die bisher eher vernachlässigte Musik chassidischen (orthodoxen) und sephardischen (orientalisch-jüdischen) Ursprungs. Es entsteht eine abwechslungsreiche, vielschichtige Musik, mal melancholisch jauchzend, mal meditativ atmend. Kompakte, eng in der Tradition stehende Stücke wechseln sich ab mit ausholenden, suchenden, voller Stimmungswechsel und unterschiedlicher Klangschattierungen. Leider war der Sound Mittwoch nicht optimal. Das Schlagzeug Roberto Haliffis lärmte ein wenig, und der virtuose Larry Fishkind (Tuba) war nur schwer zu hören. Zudem hatte neue Klarinettist Perry Robinson Schwierigkeiten mit den für ihn teilweise noch unbekannten Stücken und vermochte nicht immer die Klarinette durchzusetzen. Trotzdem gab es hörenswerte Momente. In ihren Soli ließen die Musiker hören, was möglich wäre. Besonders der Lybier Roberto Haliffi beeindruckte durch sein melodiöses Trommeln.
Einen furiosen Auftritt lieferte dann am Donnerstag des New Klezmer Trio. Die Musik von Ben Goldberg (cl, b-cl), Dan Seamans (b) und Kenny Wollesen (dr) entwickelte einen Sog, in den die ZuhörerInnen hineingezogen wurden. Das traditionelle Material wird zum Ausgangspunkt für ausgedehnte Klangerforschungen. Goldberg dehnt die Klarinettenlinien, zerstückelt sie, bricht sie durch exerzitienartige Wiederholungen. Er reizt die Klangmöglichkeiten der Klarinette aus, streut vorsichtig und sparsam Klack-Laute oder überblasene Töne ein. Seamans Bass begleitet die Klarinette im unisono, umspielt sie oder geht einen eigenen Weg. Wollesen trommelte hingebungsvoll einen Rhythmusteppich, mal enger, mal loser geknüpft. Alle drei nehmen sich die Zeit, einzelne Töne klingen zu lassen, arbeiten ungeheuer eingespielt mit expressiven und verhaltenen Passagen, mit dynamischer Zuspitzung und Pausen, Stimmungs- und Rhythmuswechseln. Die Musik strahlte Wärme aus, Behutsamkeit und eine seltene Intensität. Ein grandioser Abschluß. Arnaud
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