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Diskutieren ist notwendig-betr.: "Grüne gegen Frieden durch Militär", taz vom 23.3.93

betr.: „Grüne gegen Frieden durch Militär“, taz vom 23.3.93

[...] Kaum ist die Pubertät vorbei, werden die kleinen RevoluzzerInnen ordentlich vernünftig. Herr Ströbele plädiert für die Legitimität des militärischen Widerstands, Frau Wollenberger für „humanitäre Interventionen“ (gründeutsch für Krieg),und Herr Volmer sieht „keinen moralischen Hinderungsgrund, im ehemaligen Jugoslawien militärisch einzugreifen“. Das freut Herrn Rühe sicher. Dem laufen nämlich derzeit die Wehrpflichtigen weg und verweigern in Massen. Da kommen ihm die Grünen sicher recht, um die entstehenden Lücken zu schließen.

[...] Sie werden leider auf unsere tätige Mithilfe verzichten müssen: Wir sehen in der Tatsache, daß immer noch zirka 90 Prozent der Opfer „humanitärer Interventionen“ Zivilisten sind, durchaus einen „moralischen Hinderungsgrund“. Wir hielten es 1991 nicht für humanitär, irakische Kinder in den Bunkern und auf den Straßen Bagdads zu erschießen, zersprengen und zu verbrennen, um Menschenrechtsverletzungen, Vergewaltigungen und Morde in Kuwait zu beenden – und wir halten es auch nicht für humanitär, Kinder in Belgrad oder in den serbischen Dörfern Bosniens zu verbrennen, erschießen und zerfetzen, um die gleichen Verbrechen an muslimischen und kroatischen Kindern zu verhindern. [...] Handgranaten, Artilleriemunition und Bomben können eben einfach nicht zwischen bösen Tschetniks und harmlosen Zivilisten, Frauen, Alten und Kindernunterscheiden. [...] Michael Marder, DFG-VK,

Karlsruhe

[...] Das Problem ist, daß die Aufforderung zum Diskutieren nicht zur Ausrede verkommen sollte, um die relative Trägheit und Passivität des Westens zu kaschieren. Martin Woollacott vom Londoner Guardian (20.3.93) beschrieb das so: „Es ist, als ob ein Mann wiederholt auf einen anderen, am Boden Liegenden einschlägt und eine dritte Partei ständig viel Aufhebens um Verbände und Jod macht, gelegentlich verlangt, das Schlagen solle doch aufhören, aber niemals auch nur einen Moment lang daran denkt, den Kampf zu beenden“.

Diskussionen sind notwendig, aber sie allein verhindern keinen einzigen Mord und keine einzige Vergewaltigung. In der Resolution des Grünen-Länderrats finden sich zwar einige deutliche Vorschläge (Sanktionshilfefonds, Unterstützung unabhängiger Medien im Kriegsgebiet u.a.); auch wird nicht versäumt, auf die Hauptverantwortlichen sowie auf „Elemente des Faschismus“ bei deren „rassistischer Politik“ hinzuweisen. Aber am Prinzip der absoluten Gewaltfreiheit darf dann doch nicht gerüttelt werden. Für die Ideologen und Theoretiker bei den Grünen mag das ein Sieg sein; ob die Opfer dieses Krieges das auch kapieren, ist eine andere Frage. Benedikt Jürgens, Münster

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