"Aufmarsch der Heuchelei" für Streibl

■ Auf dem "Kleinen Parteitag" der CSU üben die Delegierten Geschlossenheit, um dem Bayern-Chef einen sommerlichen Abgang zu ermöglichen / "Es war fast ein Abgesang", meinte ein Minister

Bad Kissingen (AFP/dpa) – Neue Vorwürfe gegen Ministerpräsident Streibl haben den „Kleinen Parteitag“ der CSU in Bad Kissingen überschattet. Sichtlich erbost sprach Waigel in seiner Abschlußrede von einer inzwischen zur Regel gewordenen „Kampagne der Woche“ der Nachrichtenmagazine. Erneut forderte er die Geschlossenheit seiner Partei, auch in ihrer Unterstützung für Streibl.

Der Spiegel berichtet, Streibl habe Mitte März durch einen Mitarbeiter seiner Staatskanzlei beim Münchner Luft- und Raumfahrtkonzern Deutsche Aerospace (Dasa) anfragen lassen, ob ihm kurzfristig ein Firmenjet zur Verfügung gestellt werden könnte. Nur so wäre der Ministerpräsident in der Lage, zwei Aufsichtsratstermine bei der Dasa in München und bei der Lufthansa in Köln wahrzunehmen. Dem Bericht zufolge lehnten die Dasa-Verantwortlichen das Ansinnen ab. Die Staatskanzlei kommentierte den Bericht als „skandalöse“ Suggestion.

Die Zukunft des bayerischen Regierungschefs beherrschte den Parteiausschuß, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Streibl hatte bei dem ersten landesweiten Treffen der CSU nach dem Beginn der „Amigo“-Affäre um mehrere Privatreisen auf Industriekosten ein deutliches Signal der Solidarität verlangt.

Doch als der Chef der oberfränkischen Jungen Union, Bernd Edelmann, vom Regierungschef offiziell den Rücktritt forderte, blieben die Verteidiger auffallend zurückhaltend. Spitzenleute blieben mit Ausnahme von Parteichef Theo Waigel und Fraktionschef Alois Glück sitzen. Dafür traten mehrere Kabinettsmitglieder und einige frühere CSU-Größen wie Ex-Landwirtschaftsminister Ignaz Kiechle an. Doch niemand nahm Streibl wirklich in Schutz. Keiner wollte ihn noch einmal auf den Schild des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im kommenden Jahr heben, wie dies noch kürzlich Alois Glück getan hatte. „Es war fast ein Abgesang“, meinte ein Minister. Edelmann sprach vom „Aufmarsch der Heuchelei“. Spätestens während der Sommerpause erwartet der JU-Mann den Abgang von Streibl, „da bin ich sicher“.

Kritik am Ministerpräsidenten macht sich indes auch auf der Regierungsbank breit: Justizministerin und Streibl-Vizin Mathilde Berghofer-Weichner drohte demonstrativ mit ihrem Rücktritt, falls die angekündigten Stellenkürzungen in ihrem Ressort wahrgemacht würden. Im kleinen Kreis soll sie schon signalisiert haben: „Wir sind mit der Partei alt geworden, jetzt sollen Jüngere ran.“ Ein anderer Minister wirft seinem Chef fehlenden Führungswillen vor: „Man weiß nicht, was Streibl wirklich will.“ Nach Ansicht von Delegierten ist auf dem Bad Kissinger Treffen die Taktik der CSU- Führungsriege deutlich geworden: Dem Ministerpräsidenten soll die Chance für einen ehrenvollen Rückzug offengehalten werden. Als „Sündenbock“ will Streibl jedoch auf keinen Fall enden. Intern, so hieß es, habe der Regierungschef bereits erklärt, er sei „nicht bereit, für etwas geradezustehen, was alle anderen auch mal gemacht haben“. Mehrere Landtagsabgeordnete planen für die CSU-Fraktionssitzung am Mittwoch eine geheime Abstimmung über Streibl. Noch ist unklar, ob sie einen solchen Antrag tatsächlich stellen. Eine geheime Abstimmung, bei der man Ärger ohne Risiko Luft machen könnte, könne, so ein Abgeordneter, der „Ehrlichkeit und Wahrheitsfindung“ dienen.