"Auch verkaufte Sklaven können aufstehen"

■ Elmshorner Christian Steen-Belegschaft kämpft um den Erhalt der Arbeitsplätze / Betrieb von Truehand-Ableger aufgekauft

kämpft um den Erhalt der Arbeitsplätze / Betrieb von Treuhand-Ableger aufgekauft

Die Nachricht kam aus heiterem Himmel und war kurz und bündig: Kalt lächelnd teilte die Geschäftsleitung der Elmshorner Maschinenfabrik Christian Steen vorige Woche der Belegschaft in zwei Minuten mit, daß der gesamte Betrieb an die Schweriner Maschinenfabrik KGW verscherbelt worden ist. 65 MitarbeiterInnen fürchten nun um ihre Existenz.

Denn KGW-Bosse haben bereits Routine im Abbau von Arbeitsplätzen. Der ehemalige realsozialistische Betrieb wurde nach der Wende von der Treuhand-Gesellschaft übernommen. Die staatlichen Rationalisierer zeigten dann den Schweriner Ossis, was realer Kapitalismus ist. Von 1300 Beschäftigten blieben nur 300 MitarbeiterInnen nach.

Nun der nächste Coup: In ihrem Bestreben, neue Marktanteile zu ergattern, kauften die Ostdeutschen die Steen-Werke. Bei der Schweriner Belegschaft löste der Deal zunächst Entsetzen aus: Die Malocher fürchteten weiteren Arbeitsplatzabbau.

Doch die Verlierer dürften vielmehr die Wessis sein. „Wir haben festgestellt, daß die Immobilie Steen nicht mit veräußert wurde“, so der Betriebsrat. Also moderner Menschenhandel von West nach Ost? Wohl nicht einmal das! Denn die KGW-Bosse haben offenkundig einen ganz anderen Hintergedanken. KGW konnte nämlich sowohl das Steen-Programm und den Kundenstamm erwerben, als sich auch einen guten branchenbekannten Namen sichern. Produzieren können die Ossis die Steen-Maschinen allerdings im tarifvertragsfreien Mecklenburg-Vorpommern.

Dort hatten die „Nordmetall“ kurzerhand den Tarifvertrag zur Angleichung der Ost- auf Westlöhne gekündigt, obwohl er noch Jahre gilt. Begründung: Die Unternehmen könnten die hohen Löhne nicht zahlen, und somit sei die Vertragsgrundlage entfallen. Ein Denkzettel für die westdeutschen Metaller, die auf Tarifautonomie beharren?

Die Steen-Belegschaft bemüht sich seither, Informationen über die Pläne in Elmshorn zu bekommen. Kein Kommentar! Auch auf einer gestrigen Betriebsversammlung gaben die Bosse keine Auskunft. Aufgebracht, als Zeichen des Widerstands, brachten Arbeiter daraufhin in 30 Metern Höhe am „Windenprüfstand“ die rote IG Metall-Fahne an. Wenig später pilgerten die MitarbeiterInnen als

1Sklaventreck — angekettet und ausgepeitscht — durch die Elmshorner City und warnten ihre Chefs: „Auch verkaufte Sklaven können aufstehen.“ Die Polizei

1stellte sich den Steen-Beschäftigten und ihren Familien in den Weg, ließen den ungewöhnlichern Treck nicht durch Einkaufszonen. Was mit der Losung gemeint sein

1könnte, demonstrierte die Belegschaft am späten Abend. Sie legten den Betrieb an die Kette. Denn: „Auch verkaufte Sklaven können aufstehen...“ Kai von Appen