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Hektik bei Asylgesetzen beunruhigt Richter

■ Präsidenten der Berliner Verwaltungsgerichte kritisieren die Bonner Gesetzgeber / Regelungen des Asylkompromisses angeblich kaum realisierbar / Warnung vor einer nur "symbolischen" Gesetzgebung

Berlin. Die Präsidenten der Berliner Verwaltungsgerichte haben dem Bonner Gesetzgeber „Hektik“ vorgeworfen, die in vielen Fällen die Rechtslage eher komplizierter mache. Insbesondere in der Asylgesetzgebung seien Vorschläge von Verwaltungsrichtern in den letzten Jahren kaum berücksichtigt worden, sagte gestern der Präsident des Verwaltungsgerichts, Alexander Wichmann. Die Richter fühlten sich von der Regierung, aber auch dem Bundestag und Bundesrat in Bonn, „nicht ernstgenommen“.

Der Gesetzgeber kümmere sich zuwenig um die Frage, wie die Gesetze umgesetzt werden könnten. Bei dem jüngsten Asylkompromiß der Bonner Parteien sei etwa vorgesehen, daß Eilanträge von Asylbewerbern binnen einer Woche von den Gerichten zu entscheiden seien. Dies sei praktisch kaum vorstellbar. Wichmann meldete auch Zweifel an der Regelung an, daß Antragsteller, die aus einem sogenannten sicheren Drittland in die Bundesrepublik einreisen, kein Asyl mehr erhalten sollen. Dies setze voraus, daß die Außengrenzen der Bundesrepublik genügend überwacht werden könnten.

Wichmann erinnerte auch daran, daß sich die Asylgesetze allein in diesem Jahr voraussichtlich noch zweimal ändern werden. Es müsse gefragt werden, wie sich vor diesem Hintergrund eine „kalkulierbare“ Rechtsprechung entwickeln könne. Auch der Präsident des Oberverwaltungsgerichts, Dieter Wilke, meldete Kritik an der „ad hoc“-Gesetzgebung an, die vielfach nur „symbolisch sei“. Die Gesetze würden – wie Beispiele aus dem Baugesetzbuch zeigen – oft nur komplizierter.

Zu dem Geschäftsanfall beider Gerichte im vergangenen Jahr sagte Wilke, daß sie die Lage „im Griff“ hätten. Nach wie vor zeigten sich die Bewohner des ehemaligen Ostteils der Stadt weniger klagefreudig als die Westberliner. Mit ein Grund sei, daß im Osten die Bürger immer noch nicht genügend über ihre Rechte aufgeklärt seien, meinte Wilke. Dies zeige sich besonders im Sozialbereich. Der stärkste Anstieg bei den Eingängen mit 166 Prozent beim Verwaltungsgericht sei bei den Streitigkeiten um offene Vermögensfragen zu registrieren, sagte Wichmann. Hier werde wegen des hohen Streitwertes mit „harten Bandagen“ gestritten. „Man kämpft dort um das große Geld.“ dpa

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