: Der lange Weg nach Indonesien
Niederländischer Müllmakler hat deutsches Plastik nach Indonesien verschifft/Container waren numeriert/ Gute Geschäfte mit Firma Becker aus Mehlingen bei Worms ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Plastikmüll aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ist über die Niederlande und den Hafen von Singapur nach Indonesien geschafft worden. Das bestätigte der taz gestern der niederländische Kaufmann Ivo Besselsen aus Ermelo. Besselsen hatte für die Firma Becker aus Mehlingen bei Worms von Februar 1992 bis zum Sommer des Jahres kontinuierlich Plastikmüll nach Indonesien verschifft. Becker ist einer der großen Vertragspartner des Dualen Systems Deutschland (DSD).
Der Niederländer Besselsen, dessen Firma Beside B.V. jährlich rund 20.000 Tonnen Altkunststoff aus Europa vor allem nach Süd- ostasien vermakelt, gab sich überrascht über die Aufregung in Deutschland. „Das ist mein Geschäft seit 17 Jahren." Er habe in Indonesien nach Kunststoffverwertern gesucht und gesagt: „Ich kann große Mengen liefern.“ Dort gebe es viele kleine Firmen, die diesen Kunststoff verarbeiteten. Im Sommer 1992 seien dann die Indonesier selbst in Europa gewesen. Seine Geschäftskontakte zu Becker seien dann abgebrochen.
Derzeit bemühe er sich auch, direkt mit dem Dualen System ins Geschäft zu kommen. Leider habe die Verwertungsgesellschaft Kunststoff (VGK), die die Verarbeitung des DSD-Altkunststoffes garantieren muß, erst jetzt entsprechende Unterlagen zugeschickt.
Besselsen verteidigt die Kunststofflieferungen nach Südostasien vehement. Für die Menschen dort unten seien das Rohstoffe. Und sortieren sei in Europa einfach zu teuer. „Die besten Trennanlagen sind zwei Arme und zwei Augen.“ Aber das könne man natürlich nicht mit Stundenlöhnen von 40 Mark machen, wohl aber mit Tageslöhnen von zwei US-Dollar. Besselsen liefert nach eigenen Angaben nach Indien, Pakistan, China, auf die Philippinen, nach Malaysia und Thailand. Die Beside B.V. unterhalte seit längerem Kontakte mit Geschäftspartnern in Westdeutschland.
Er habe den Kunststoff bei Becker in 40 Fuß langen Überseecontainern abholen lassen. Solche Container benutze man nicht für den simplen Transport nach Holland. Mit seiner Hilfe sei eine Kontrolle der Lieferungen auch nach Monaten möglich. „Die Container sind einzeln numeriert. Wenn also nach zwei Monaten in Indonesien ein Problem mit dem Material auftaucht, wäre einfach nachzuvollziehen gewesen, woher der Container stammt.“ Becker sortiert unter anderem den Kunststoffmüll aus Heidelberg. Becker-Tochterfirmen haben außerdem Entsorgungsverträge für DSD-Müll im Donnersbergkreis und in den Landkreisen Brand-Erbisdorf und Dippoldiswalde in Sachsen.
Das Duale System Deutschland ist nach wie vor überzeugt, daß der am Montag im ARD-Magazin Panorama gezeigte Kunststoff schon vor Einführung des DSD eingesammelt worden sein muß. Das DSD bemühe sich, seine Subunternehmen zu kontrollieren, so DSD-Sprecher Gunnar Sohn. Die Verwertungsbetriebe, die das Plastik angeliefert bekommen, müssen die eingehenden und ausgehenden Mengen dokumentieren. Man versuche diese Mengenangaben gegenzuchecken, sei aber gegen Betrug nicht gefeit. „Das sind überhaupt die ersten Kontrollen in dem Bereich“, warb Sohn um Verständnis. „Die Kommunen haben ihren Müll früher in alle Welt geliefert, gänzlich ohne Kontrollen.“ Die Stadt Heidelberg räumte gestern auf Nachfrage tatsächlich ein, daß sie den Verbleib des getrennt gesammelten Plastik vor Eintritt in das Duale System nicht überprüft habe.
DSD-Sprecher Sohn konnte sich gestern nicht vorstellen, daß Firmen wie Becker noch ein Interesse am Verschieben von Plastikmüll nach Südostasien hätten. Beim DSD bekämen die Firmen rund 2.000 Mark pro Tonnen für Kunststoff. Südostasien könne damit nicht konkurrieren.
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