Cechov konsequent

■ Klaus Findl eröffnet Serie mit Arbeiten der Regieklasse Flimm/Brauneck

eröffnet Serie mit Arbeiten der Regieklasse Flimm/Brauneck

Fast dunkel ist die Bühne. Manchmal gelber Lichtschimmer vom Schein der Kneipenbirne, und dann tanzt die Eisenstiege als lebendiger Schatten hinter dem Tresen auf einer kahlen Wand. Schemenhaft bewegungslos lagern Menschen auf ihren Gepäckstücken. Herbstblätter am Boden.

Klaus Findl inszeniert die dramatische Skizze Auf der großen Strasse von Anton Cechov von 1884 im Malersaal. Das Stück beginnt, konsequent undramatisch geführt, mit einem ausgedehnten Präludium aus Geräuschen und Lichtstimmungen über Sturm und Halbdunkel. Was sich dann ergibt, ist keine theatralisch ausgeschlachtete Szenenfolge, sondern eine bilderreiche Geschichte zum Anschauen, unaufdringlich und erzählerisch. Findl zeigt typische Cechov-Figuren, überläßt sie ihrem Zeitkolorit, ganz ohne postmoderne Anbiederung oder restaurativen Plüsch.

Ein Adeliger ist enttäuscht von der Liebe und hat kein Geld zum Saufen. Noch am Hochzeitstag ist ihm die Geliebte davongelaufen. Ein Landstreicher will die Angelegenheit mit einem Mordversuch rächen. Das zeigt Findl in einer dramatischen Szene. Als die Ex-Geliebte die Spelunke betritt und ihren heruntergekommenen Mann nicht erkennen will, verläßt den Landstreicher der Mut zum Töten.

Was übrigbleibt, ist ein grelles Licht, eine Schrecksekunde beim Auftritt der Frau und wieder gibt der Regisseur die Figuren an ihre Ohnmacht und Eingeschlossenheit zurück. Eingeschlossen in die Nacht, den Sturm, die Dunkelheit, eingeschlossen in einen kranken Leib, in immer noch funktionierendes Klassenbewußtsein und Alltagsmonotonie, bleibt jeder der er ist.

Eindringlich und mit aller Stringenz gestalten Regisseur und Schauspieler diesen nicht endenden Kreislauf. Mutig reduziert auf eine Grundstimmung, einen Ort und den eher losen Ton einer auf Erzählung setzenden sanften Regie, sind Figuren und Situationen alltäglich - an der Grenze zum Naturalismus - Theater geworden. Katrin Meyer