: Coming out von Bekennern
■ Laien spielen "Ich bekenne" nach / Bewegung zieht auch Staatsräte an
Coming out von Bekennern
Laien spielen „Ich bekenne“ nach / Bewegung zieht auch Staatsräte an
Gestern hat sich in Bremen die erste nordeutsche Gruppe von „Bekennern und Augenzeugen“ vorgestellt. Grund des Coming out: Seit Wochen verleumdeten Kirchenleute und CDU-Mitglieder Fernsehsendungen wie „Ich bekenne“, „Bitte verzeih mir“ , aber auch „Augenzeugenvideos“. Sinn der Pressekonferenz in das Gemeindehaus der Stephani-Gemeinde, so ein Sprecher der Initiative, sei der Wunsch, die Interessen der Zuschauer gegen diese „Hetzkampagne“ zu vertreten.
„Es ist einfach nicht wahr“, sagte Bernd Ehrmann, „daß es nur um Sensationsgier geht. Wir haben durch solche Sendungen endlich wieder Kontakt zu unseren Gefühlen gefunden“. Gern würden die Gruppenmitglieder selbst als „Bitte verzeih mir“-Kandidaten im Fernsehen auftreten, doch es sei fast aussichtslos, dort angenommen zu werden. „Es kommt uns nicht auf ein Millionenpublikum an, sondern daß man sich mal hinstellen kann und sagen kann: ich habe ...“ — sehr leise hat das der 46jährige Dachdeckergeselle ins Mikrophon gesagt. „Beim Stammtisch würden alle lachen, und eine Analyse kann ich mir nicht leisten“.
Man trifft sich privat, kennt nur die Vornamen der anderen. Jedesmal neu ausgewürfelt wird, wer die die Rolle der Psychologin Ulla Kock am Brink aus „Bitte verzeih mir“ übernimmt. Die „Sitzungen“ dauern bis zu fünf Stunden, einmal im Monat kommt jeder mal dran, berichtete der Initiativensprecher.
Mit den „klassischen Männergruppen“, so verlautbarte die Gruppe gestern, habe man nichts gemeinsam. „Das sind doch zumeist Leute aus dem studentischen Milieu, die stehen doch gar nicht so unter Druck wie wir.“ Obwohl sie sich in der kleinen Runde bekennen: vor der Presse gestern schwieg sich die Gruppe über die Geständnisse der Einzelnen aus.
Ganz so harmlos scheint die Bewegung aber doch nicht zu sein. Wie der taz vertraulich mitgeteilt wurde, zieht diese neue Form der Beichte auch Politker an. Unter dem Versprechen, seinen Namen nicht zu nennen, bekannte sich der taz gegenüber ein Staatsrat: „Wenn ich bei meinen Untergebenen um Verzeihung bitte, verliere ich doch das Gesicht, in der Familie hab ich das Sagen nicht — was bleibt mir also anderes übrig!“ Die Versöhnungsszenen mit seiner Sekretärin (gespielt von einem Gruppenmitglied) gehören zu den Höhepunkten seiner Woche. cis
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