: Rache ist Blutwurst!
JVA Mannheim, die zweite: taz-Artikel vom 1. März hatte üble Folgen für den Gefangenen/ Prügel für den Wunsch nach Waschzeug/ Krankenakte gefleddert/ Abgeurteilt, weil's kostengünstiger ist ■ Brief von Andreas Böhn, jetzt wieder JVA Bruchsal
Am 3. März wurde ich für die anstehende Verhandlung am 8. 3. von Bruchsal nach Mannheim verschubt. In Mannheim angekommen, wurde ich aus der Masse von Gefangenen, die mit mir im Transport gewesen waren, schon bei der Kammer herausgegriffen und Beamte brachten mich auf den Flügel 1/2. Das ist kein normaler Flügel. Hier kommt man nicht mit anderen Gefangenen zusammen, die, wie ich, in Strafhaft sind, sondern dieser Trakt ist den U-Häftlingen vorbehalten.
Dort wurde ich schon von mehreren Beamten erwartet. Die wußten genau, daß ich in Strafhaft bin, einige Beamte kannten mich auch noch von früher. Ich fragte die, was das sollte und warum ich in U-Haft genommen werde (dort herrschen andere Haftbedingungen). Ein Beamter mit Namen Marschmann meinte, das sei eine Anordnung vom Anstaltsleiter Winkler. Ich erwiderte, das sei wohl ein Irrtum, weil ich in Strafhaft bin und der Anstaltsleiter gar keine U-Haft anordnen kann. Da müßte schon eine Straftat vorliegen, und auch dann könne das nur ein Haftrichter entscheiden.
Marschmann telefonierte mit dem Anstaltsleiter. Als er auflegte, meinte er: „Es bleibt dabei, Anordnung von Winkler.“ Ich sei wie ein Untersuchungsgefangener zu behandeln und dürfe keinesfalls mit meinen Mitgefangenen der Strafhaft in Kontakt kommen. Ich dürfe auch keinen Hofgang mit den Gefangenen der Strafhaft machen. Aber auch nicht mit den Gefangenen aus der U-Haft, da ich ja EIGENTLICH in Strafhaft sei und Strafhaft aus Sicherheitsgründen nicht mit der U-Haft zusammenkommen darf! Es kam dann raus, daß Winkler für mich angeordnet hatte: kein Hofgang, kein Duschen, totale Isolation und außerdem sollte ich weder Wasch- noch Rasierzeug kriegen. Marschmann begründete die Maßnahmen mit dem Artikel in der taz vom 1. März. Ich habe deshalb zwar Strafantrag gegen Winkler gestellt, aber bis heute nichts vom Landgericht Mannheim gehört. Der Brief wird wohl verschwunden sein.
Am 5. März, morgens gegen 9 Uhr, wurde meine Zelle kurz geöffnet. Es war Hofgang für alle U-Häftlinge; der Beamte muß mich wohl übersehen und versehentlich meine Zelle auch geöffnet haben. Ich nutzte die Gelegenheit, um in unserem Flügel 1/2 ins Büro zu gehen und dort erneut nach Wasch- und Rasierzeug zu fragen. Auch da sagte mir ein Beamter wieder, daß ich nix bekommen dürfte. So ging ich, da die Flügeltüren offen waren, in den Flügel 2/4. Dort im Büro traf ich einen Beamten an, dessen Name mir nicht bekannt ist. Aber er kannte mich offenbar. Auch er wollte mir kein Waschzeug geben und meinte, ich solle sofort wieder auf meinen U-Haft-Flügel zurückgehen. So kehrte ich zurück und stand dort vor meiner Zellentür, die verschlossen war. Unnötigerweise wurde ich über die Rufanlage ausgerufen, denn ich war ja schon wieder da.
Die machten vielleicht ein Tamtam! Mir wurde klar, daß hier bewußt eine hektische Situation geschaffen werden sollte, um damit einen eventuellen Prügeleinsatz zu begründen. Ich stand also vor meiner verschlossenen Zelle. Da stürmten zwei Beamte auf mich zu. Der eine stellte sich hinter mich, der andere brüllte mich an, was ich auf 'nem anderen Flügel zu suchen hätte. Durch ihr Geschrei wollten sie mich nicht nur provozieren, sondern auch eine gefährliche Situation vortäuschen.
Ich machte wieder darauf aufmerksam, daß ich weder Seife noch Rasierzeug bekommen habe und daß ich endlich wie alle anderen Gefangenen duschen und Hofgang haben wolle. Da schrie mich der Beamte an: „Es gibt nix! Anordnung von Winkler aufgrund der Veröffentlichung in der taz!“ Plötzlich wurde ich brutal von hinten angegriffen. Ich spürte einen festen Stoß und flog gegen den Beamten, der vor mir stand. Von beiden wurde ich an den Armen gepackt und am Hals gewürgt. Einer wollte mir den rechten Arm nach hinten drehen. Da es nicht gleich ging, schlug er auf mich ein, während mich der andere würgte. Sie verdrehten mir dann die Arme und schleppten mich zur Zellentür. Sie schlossen auf, und dann bekam ich von hinten einen Stoß und flog in die Zelle. Nachdem die Tür schon zu war, schrie der eine mir noch nach: „Falls du Meldung machst, behaupten wir, du hast Beamte angegriffen und machen Anzeige!“
Ich hatte starke Schmerzen am Hals und am Schultergelenk. So drückte ich einige Minuten später die Glocke, weil ich zum Arzt wollte, um das aktenkundig machen zu lassen. Außerdem wollte ich mit meinem Anwalt Kontakt aufnehmen. Einige Minuten später kam Vollzugsdienstleiter Brucker mit mehreren Beamten. Brucker schrie mich gleich an, ich solle Ruhe geben, und ich würde keinesfalls zum Arzt kommen. Da gebe es nichts zu untersuchen. Und Anwaltskontakt wird auch verboten. Er drohte mir, er würde mich wieder in den „besonders gesicherten Haftraum“ („bgh“, siehe taz vom 1.3.) bringen, wenn ich weiter auf Arzt und Verteidigergespräch bestehen würde. Im Keller könnte ich dann nochmal 'ne Abreibung bekommen. (Im bgh wird traktiert, weil es im Keller keine Zeugen gibt.)
Ich sagte ihm, ich hätte am Montag eh' Verhandlung und würde dann meinen Anwalt bitten, gegen ihn Strafantrag zu stellen. 15 Minuten später wurde ich von mehreren Beamten zum Arzt gebracht.
Dort war Frau Dr. Killian anwesend. (Das ist die Ärztin, die die Sauerei mit der TBC-Sache und Thermozelle durchgezogen hatte.) Ich dachte, mich trifft der Schlag, daß die nun meine Krankenakte aus Bruchsal hatte! Ich sah sofort, daß die Akte dünner war. Sie hatte die umgebaut. Und die hatte sogar einen neuen Umschlag (auf dem Umschlag waren immer Stempel von Verlegungen, so konnte man erkennen, wie oft sie mich in die Psyche schleppten, um mich zu brechen). Frau Killian weiß, daß sie mit Anklage rechnen muß. Den Bruchsaler Arzt habe ich nicht von der Schweigepflicht entbunden.
Nach der Untersuchung wurde in der Akte schriftlich vermerkt: 5-Mark-große Druckstelle an rechtem Schulterbereich. Einblutungen an der linken Schulter und im Armbereich. Zerrungen im rechten Armgelenk. Rötungen und Druckstellen im gesamten Halsbereich.
Aufgrund dieser Mißhandlung kündigte ich schriftlich einen Hungerstreik an, da ich nicht mit meinem Anwalt sprechen durfte. Ich kam wieder unter Verschluß. Gegen 14 Uhr wurde ich zum stellvertretenden Anstaltsleiter, Herrn Angermann gebracht. Er teilte mir mit, daß ein Gespräch abgelehnt würde, weil er den Verdacht hätte, daß ich den Vorfall meinem Anwalt melden wolle. Der würde mich dann besuchen und unter Umständen von den Verletzungen Fotos machen. Dies werde er keinesfalls zulassen. Außerdem müsse ich in dem Fall selbst mit Anzeige rechnen, der Beamte hätte nämlich eine erbsengroße einzelne Rötung am Hals. (Ich muß den wohl mit einem einzelnen Finger gewürgt haben!)
Ich habe den Hungerstreik dann abgebrochen, nachdem Angermann gedroht hatte, daß er mit dem Richter sprechen würde, daß ich nicht zur Verhandlung vorgeführt würde.
Am 8. März war dann also die Verhandlung. (Es ging um eine weiter zurückliegende Sache, die im Zusammenhang mit den Knastrevolten 1989 stand, d.Red.) Ich wurde in der Sache schon zweimal freigesprochen. Diesesmal wurde ich verurteilt, und zwar zu 30 Tagessätzen pro fünf Mark. Der Richter begründete das folgendermaßen: hier ginge es nicht um Recht oder Unrecht, schuldig oder nicht schuldig, sondern ich würde verurteilt, um Kosten zu sparen! Ich dachte, mich haut's vom Stuhl. Er meinte noch, er sei ja völlig unabhängig, aber sie hätten da „von oben“ ein Urteil erhalten, in dem die Revision eines anderen Gefangenen auch abgelehnt würde. So sei, um Kosten zu sparen, vorzugehen. Da kannst du kämpfen, wie du willst, wenn das Urteil schon vor der Verhandlung feststeht!
Mein Anwalt hat natürlich gleich Revision angekündigt. Der Richter sagte dazu, ich solle halt die 150 Mark zahlen, es wäre ja nicht so viel. Außerdem, in Rio (bei der Gefängnisrevolte, d. Red.) wären alle zusammengeschossen worden, und die Gefangenen sollten schon merken, daß Anstaltsleiter Winkler der Chef ist! Da haben auch die Prozeßbeobachter gestaunt.
Es war unter anderem eine Reporterin aus Frankfurt da. Als der Richter merkte, daß eine Pressevertreterin da war, wirkte er plötzlich sehr unsicher. Anwalt und Reporterin beantragten ein Interview, zumal die Reporterin mitbekam, daß ich frische Blutergüsse hatte. Obwohl wir ja im Gericht waren, erklärte der Richter sich plötzlich für nicht zuständig und lehnte das Interview ab.
Ich kam zurück in den Mannheimer Bau und wurde wieder im U-Haft-Flügel isoliert. Am nächsten Tag gegen 9 Uhr morgens wurde ich von der Zelle aus in einen Kleinbus gebracht und mit Sondertransport von Mannheim nach Bruchsal verschubt. Das war's erst mal.
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