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Wirtschaft und Finanzen getrennt

■ Frankreichs neuer Premierminister Edouard Balladur zerschlägt das alte Superministerium gleich in vier Teile

Paris (dpa) – Edouard Balladur hat vorgesorgt: Der neue französische Premierminister hat das Superministerium für Wirtschaft und Finanzen zerschlagen, das jahrelang fast wie eine „Nebenregierung“ ein Eigenleben führte. Feinfühlig verteilte er die Kompetenzen auf mehrere Minister seines Vertrauens. Aus Balladurs Umgebung hieß es, der Neogaullist habe sich damit eine Aufsicht über diese Kernbereiche der Regierungsarbeit gesichert.

Vorbei die Zeit, als die impulsive Premierministerin Edith Cresson bei ihren politischen Husarenritten regelmäßig über das Veto aus der „Festung Bercy“ strauchelte. Damals vereinte Pierre Bérégovoy im supermodernen Ministeriumskomplex Paris-Bercy die Kompetenzen für Wirtschaft, Finanzen, Haushalt, Zentralbank, Industrie und Außenhandel, Handel und Handwerk, Post und Fernmeldewesen. Doch schon Bérégovoy schränkte bei seinem Umzug ins Premierministerium die faktische Macht von Bercy ein.

Balladur teilte Bercy gleich in vier Teile: Wirtschaft, Haushalt, Mittelstand und eine Art „Pariser Miti“, nach dem japanischen Vorbild ein auf die Hochtechnologie gerichtetes Ministerium für Industrie, Energie, Außenhandel, Post und Telecom. Das Finanzministerium wurde samt Schatzamt faktisch der Wirtschaft zugeschlagen und soll die Aufsicht über die künftig unabhängige Zentralbank verlieren.

Boß in Bercy ist jetzt der Zentrumspolitiker Edmond Alphandery. Der 49jährige Wirtschaftsprofessor steht für den „harten Franc“, die EG-Wirtschafts- und Währungsunion und Angebotspolitik. Zudem wird sich Alphandery um die Privatisierung der Staatswirtschaft kümmern. Doch über Steuern, Börse und Ressortfinanzen entscheidet er nicht: Diese Bereiche gingen mit dem Budgetministerium an den sehr ambitionierten jungen Neogaullisten Nicolas Sarkozy (38).

Die Macht teilen muß auch „Miti-Minister“ Gerard Longuet (52). Der Republikaner ist als Industrieminister für die produzierende Wirtschaft zuständig, doch entstand daneben neu ein „Ministerium für Unternehmen und wirtschaftliche Entwicklung, zuständig für die kleinen und mittleren Betriebe, den Handel und das Handwerk“. Diesen Posten übernahm sein Parteifreund Alain Madelin (47), der als erste Amtshandlung den Mittelstandsverband CGPME anrief. Ein „Problem“: Beide Minister sind ausgesprochen ambitioniert.

Bleibt offen, wie die Aufteilung des früheren Superministeriums auf Beamten- und Zuständigkeitsebene in der Praxis funktioniert. Reibereien, so heißt es, seien nicht nur unvermeidlich, sondern auch akzeptiert. Denn Streitfälle müssen nach oben delegiert werden: zu Edouard Balladur.

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