: Entblößte Gesten
■ Die legendäre zehn Jahre alte Choreografie 'Rosas danst Rosas– bei den Tanztheaterwochen auf Kampnagel
bei den Tanztheaterwochen auf Kampnagel
Mit einer Perfektion, die eben noch da halt macht, wo sie anfängt die Persönlichkeit der Tänzerinnen zu zerstören, bewegen sich die vier Mitglieder der Tanz-Compagnie Rosas durch die vier gewöhnlichen Körperzustände Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen. Nach einem langen, geräuschlosen ersten Teil, in dem sich die vier in Schuluniformen gekleideten Tänzerinnen über den Boden rollen und yoga-ähnliche Übungen zelebrieren, verteilen sie sich auf vier Stuhlgruppen und beginnen ihre Demonstration der Gleichzeitigkeit. Zu oft polyrhythmischen minimalistischen Kompositionen von Thierry De Mey und Peter Vermeersch entblößen sie weibliche Gesten durch Ruckartigkeit und Synchronizität.
Schüchterne und nervöse Körperhaltungen und Bewegungen werden in Einzelteile auf Taktlänge zerlegt und mit überdeutlicher Heftigkeit aneinander gereiht. In immer neuen Kombinationen und Reihenfolgen werden das knappe Dutzend Gesten wiederholt. Selbst die Ausbrüche der Einen oder Anderen, die kurzzeitig die Reihenfolge für sich ändert, um bald wieder in den Schoß der Gemeinsamkeit zurückzukehren, bleiben so sauber in ihrer Rhythmik, daß die Assoziation „Tanzmaschine“ nicht mehr fern bleibt.
Mit einer ans Unglaubliche grenzenden Konzentrationsleistung vollführen die vier Frauen fast eineinhalb Stunden immer neue Pattern aus den wenigen Bestandteilen, den Prinzipien der Minimal- Music folgend, wo die Faszination durch die Verschiebungen innerhalb der Monotonie erzeugt wird. Immer wieder verlassen einzelen Tänzerinnen über Lichtbahnen die Gruppe, um später über Lichtbahnen zurückzufinden. Das vorsichtige Aufknöpfen und wieder Schließen der Bluse, der unentwegte Griff in die Haare, das arrogante Schreiten, das Unsicherheit verbergen soll, derartig ist die feine Zeichensprache, die die Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker ihren Bildern verschreibt.
Ihre zehn Jahre alte Choreografie Rosas danst Rosas gilt heute als ein Meilenstein der Tanztheatergeschichte und wurde zu diesem Zweck für die 3. Internationalen Tanztheaterwochen noch einmal einstudiert. Sie stand mit am Anfang des modernen Tanztheaters und hat viele Nachahmer gefunden, die ihren Bezug allerdings nicht immer offenlegten.
Aber auch heute noch wirkt das strenge Werk in seiner soghaften Präzision ergreifend und frisch. Die vier jungen Tänzerinnen Joanne Fong, Cynthia Loemy, Anne Mousselet und Samantha van Wissen erfüllen die kraftraubende Komposition fehlerlos und trotz aller abgezirkelten Genauigkeit mit Wärme. Ein fulminanter Jubel dankte es ihnen. Till Briegleb
Heute noch einmal 19.30 Uhr Halle 2
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