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Bonner Pläne bringen den Dom zum Kippen

■ Regierungskommission will sechs Entwürfe zum Umbau des Reichstags prüfen lassen/ Stadtforum kritisiert Hassemer

Berlin. Den Konzepten für das neue Regierungsviertel am Spreebogen stehen „einschneidende Maßnahmen“ bevor. So sollen sowohl für den Umbau des Reichstagsgebäudes zum Deutschen Bundestag als auch den Neubau des Parlaments über die Siegerentwürfe hinaus andere Planungen geprüft werden. Das entschied die gemeinsame Regierungskommission Berlin/Bonn, wie Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer zu Begin der gestrigen Stadtforumssitzung berichtete. Zusätzlich zu den Plänen der Architekten Sir Norman Foster, Santiago Calatrava und Pi de Bruiyn stehen nun die Wettbewerbsentwürfe der Architekten Schweger & Partner (Hamburg) und Gesine Weinmiller (Berlin) sowie möglicherweise von Meinhart von Gerkan (Hamburg) zur Diskussion. Im Unterschied zu den drei ersten Preisträgern setzen die Gewinner der zweiten Preisgruppe dem Reichstagsgebäude große Baumassen entgegen.

Ein „deutlicher Wunsch der Konzeptkommission ist auch“, sagte Hassemer weiter, daß beim Wettbewerb Spreebogen zusätzlich der zweite (Miroslaw Volff) und vierte (Klein/Breucha) Sieger berücksichtigt werden. In beiden Planungen zum neuen Regierungsviertel ist das Kanzleramt freigestellt. Die Architekten Klein/Breucha sehen auf dem Moabiter Werder eine Hochhausbebauung vor.

Die Teilnehmer des Stadtforums kritisierten die Ankündigungen Hassemers heftig. So warnten die Architekten Chestnut und Fissler davor, die Entscheidungen der Jury zu kippen und die Ergebnisse „zu zerreden“. Wettbewerbe machten sonst keinen Sinn mehr. Man müsse die Forderungen Bonns zurückweisen, sagten sie. Der Entwurf von Axel Schultes habe für sie „oberste Priorität“. Kritik äußerte auch Hassemer selbst zu den jüngsten Absichten des Bundes auf der Spreeinsel. Die Begehrlichkeiten Bonns, auf dem Marx-Engels-Platz das Außenamt zu planen, stünden im Widerspruch zu den Interessen der Stadt. Hassemer: „Die Position Marx- Engels-Platz verträgt keine Nutzung von der Stange.“ Der Wettbewerb Spreeinsel müsse nun garantieren, daß der wichtigste Standort den städtischen Anforderungen gerecht werde. Das Auswärtige Amt könne zwischen Scharrenstraße und Staatsrat untergebracht werden. Es sollten Nutzungen geplant werden, die „öffentlich und einladend sind, aber auch die Einmaligkeit des Ortes betonen“, sagte Hassemer. Der Spreeinsel- Wettbewerb, erklärte er weiter, werde als Auswahlverfahren ausgelobt.

Klare Äußerungen von Hassemer zur Funktion des Staatsratsgebäudes und zum Abriß des Palastes der Republik forderten im Stadtforum die Planer Hardt Waltherr Hämer und Werner Mahnleitner. Während Hämer die Unerklärtheit des Senators als Täuschung der Öffentlichkeit auslegte („Belügt uns der Senator?“), erinnerte Mahnleitner an die Probleme, die beim Abriß des Palastes entstehen könnten. Das Bauwerk auf der 18.000 qm großen Fläche liege mit rund 108.000 Tonnen Gewicht auf einem „miesen Baugrund“. Ein Abriß würde dieser Verdrängungsmasse Raum geben. „Ein unglaublicher Auftrieb“ fände statt. Der Dom „wäre am Kippen“, sagte Mahnleitner. Rolf Lautenschläger

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