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Historische Vergeltungsvielfalt

■ Das Rothenburger Kriminalmuseum zeigt, wie deutsche Strafverfolger einst köpften und folterten: mit Phantasie und Methode

Wenn Touristentrupps um eine anmutige Ecke biegen und einen US-Schnellimbiß ansteuern, der sich zwischen alte Zunftzeichen drängt, dann ist das putzige Rothenburg für sanfte Schrecksekunden gut. Lange Reihen schlanker Barockfenster und ein gaubenbesetztes Dach sind da schon stimmiger. Unter die Haut geht das Haus in der Burggasse allerdings auch – hinter seiner Holzpforte. Erster Blickfang ist ein mächtiger Holzblock samt Beil. „Der Verurteilte mußte sich hinter den Block knien“, steht da auf deutsch, englich und japanisch. „In die Mulde kam der Kopf mit dem Gesicht nach unten, Nacken oben.“ Dann holte der Henker aus.

Im tonnengewölbten Keller des romantisch versteckten Kriminalmuseums läßt sich trefflich studieren, wie deutsche Strafverfolger einst köpften und folterten, verbrannten und pfählten – nicht nur im Städtchen an der Tauber. Justitia ging weder zimperlich mit Delinquenten um, noch mangelte es ihr an Phantasie. Wer trotz Gänsehaut nachzählt, kommt in den vier Stockwerken des alten Johanniterhauses auf mindestens 17 historische Todesstrafen und knapp 20 unterschiedliche Körperstrafen. Mehrere Galgenmodelle sind verkleinert nachgebaut, vom knorrigen Ast bis zum Doppeldecker mit eingebauter Falltür. Damit ließen sich acht Missetäter gleichzeitig ins Jenseits befördern.

Rechtsaltertümer wie hölzerne Pranger-Esel und schwere Halsringe, schwenkbare Gitterkäfige und ein Schandmantel namens „Eiserne Jungfrau“ zeigen, wie erfinderisch es von Rechts wegen an die Ehre ging. Rothenburg selbst hatte einen ganzen Katalog ehrabschneidender Strafen. Vor dem Rathaus etwa drohte Nachtschwärmern und Faulenzern der sogenannte Stock: sie mußten sich auf den Boden setzen, die Beine durch ein gelöchertes Brett stecken, die Handgelenke kamen unter zwei Eisen. Vorübergehende durften dann munter Ohren langziehen und Fußsohlen kitzeln.

Willkürlich war die Vergeltungsvielfalt nur scheinbar. Dahinter steckte durchaus Methode. Vergilbte Prozeßakten belegen penibel ausgearbeitete Prozeduren – vom Androhen der Folter über das Anlegen der Daumenschrauben bis zur abgestuften Tortur mit Geräten, die weh taten, aber nicht unheilbar verletzen sollten. Ziel der juristischen Spezialbehandlung war es, die Wahrheit ans Licht zu bringen, die der Bösewicht ja nur deshalb verschwieg, weil ihn der Teufel ritt. Und wie vermerkt Paragraph 7 des bayerischen Kriminalrechts von 1751: „Für die Androhung der Folter ist der schlüssige Beweis oder das Vorliegen starker Verdachtsmomente erforderlich.“ Zumal bei Hexenverfolgungen war das oft nur eine papierene Vorschrift.

An Zugkraft hat das Kopfabschlagen bis heute kaum eingebüßt. Rund 300.000 Menschen besichtigen jährlich die größte Rechtskundeschau der Republik. Mit den schrecklichen Gegenständen wird der wißbegierige Gaffer nicht alleingelassen.

Grafiken und angegilbte Urkunden, Wappen und Siegel, Texttafeln und ein Begleitbuch machen geistesgeschichtliche Einordnungen möglich.

So kann man den Satz wohl glauben, den der Ansbacher Scharfrichter um 1650 kunstvoll in sein Richtschwert ritzen ließ: „Wan ich das Schwert tu aufheben so wünsche ich dem Armen Sünder das Ewige Leben.“ Franz Schiffer

Kriminalmuseum, Burggasse 3, 8803 Rothenburg ob der Tauber, Tel. 09861/5359. Das Museum ist täglich von 9.30 Uhr bis 18 Uhr geöffnet, im Winter von 13.30 bis 16.30 Uhr.

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