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Alteigentümer hoffen auf Abriß für Kinkel

■ Wenn Staatsratsgebäude dem Ministerium weicht, werden Entschädigungszahlungen bis zu 350 Millionen Mark fällig

Berlin. Noch ist die Zukunft des Staatsratsgebäudes offen, nach dem Willen von Stadtentwicklungssenator Hassemer (CDU) soll über sein Schicksal im Rahmen des städtebaulichen Wettbewerbs entschieden werden. Dieses Verfahren werden ein paar Dutzend Leute mit besonderem Interesse verfolgen, denn auf sie wird ein warmer Geldregen niedergehen, sollte dieses letzte Zeugnis der DDR-Regierungsarchitektur dem Erdboden gleichgemacht werden. Zu unverhofftem Reichtum werden all jene kommen, die einen Restitutionsanspruch auf das Areal des Staatsratsgebäudes angemeldet haben, ihre Entschädigung kann den Bund bis zu 350 Millionen Mark kosten. Auf sechzig Grundstücken wurde der Regierungsbau Anfang der sechziger Jahre errichtet. Eine ganze Reihe von Alteigentümern haben einen Rückübertragungsantrag gestellt, bislang jedoch mit geringen Aussichten auf Erfolg. Denn solange die Grundstücke durch öffentliche Bauten genutzt werden, sind sie, nach §5 des Vermögensgesetzes, von der Rückgabe ausgeschlossen. Die Besitzer können bestenfalls mit einer Entschädigung rechnen, die dem 1,3fachen Wert des Einheitswertes entspricht, der 1935 gegolten hat. Diesen Satz hat das Bundeskabinett vergangene Woche mit dem neuen Entschädigungsgesetz beschlossen. Der Betrag dürfte relativ gering ausfallen, der Sprecher der Oberfinanzdirektion, Helmut John, schätzt ihn auf unter 300.000 Mark pro Grundstück auf diesem Spreeinselareal. Seine Behörde verwaltet dieses zentrale Gelände. Anders wird die Bilanz für die Alteigentümer aussehen, sollte das Staatsratsgebäude abgerissen werden. Denn mit der Beseitigung des Baues würde auch der „Ausschlußtatbestand“, der sie bislang rechtlich von einem Restitutionsverfahren ausgeschlossen hat, wegfallen. Sie könnten ihre alten Besitzerrechte wieder geltend machen. Voraussetzung ist allerdings, daß über die Restitution noch nicht abschließend gerichtlich entschieden wurde. Die Frist, einen Restitutionsantrag zu stellen, endete 1992. Wer gegen den entsprechenden Bescheid klagt und durch alle Instanzen bis hin zum Oberverwaltungsgericht geht, braucht, nach Johns Schätzung, drei bis fünf Jahre. Wird in dieser Zeit das Staatsratsgebäude abgerissen, kann das sofort vor Gericht geltend gemacht werden. Die Alteigentümer dürfen allerdings auch dann ihre Grundstücke nicht selbst bebauen, sondern müssen sie für das Auswärtige Amt hergeben. Jedoch werden sie dann entsprechend dem Verkehrswert entschädigt, der am 1. November 1991 gegolten hat. Zu diesem Zeitpunkt wurden vom Senat die für Regierungsbauten vorgesehenen Areale förmlich festgelegt und die entsprechenden Bodenpreise eingefroren, um Spekulationen zu vermeiden. Die Preise sind seitdem allerdings gefallen, die Alteigentümer können sich also an einem marktunüblichen Spitzenwert von bis zu 15.000 Mark pro Quadratmeter erfreuen, der ihnen zuströmen wird. 23.800 Quadratmeter umfaßt das Gelände des Staatsratsgebäudes inklusive der Freiflächen. Auf den Bund kämen folglich Entschädigungszahlungen von bis zu 357 Millionen Mark zu, sollte er das Staatsratsgebäude abreißen wollen und damit beginnen, solange die Gerichte noch beraten. Dieter Rulff

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