: British Summer Time Ends
Spy among the Roses
(Nato-Records DK 53006.2)
Sie haben den Eklektizismus zum Prinzip erhoben, die Musiker von British Summer Time Ends. Ihre neuste Platte – die zweite innerhalb von zehn Jahren – gleicht einer großen Zitatesammlung. Die Londoner Formation hat sich vom bizarren Dada-Jazz aus dem Pop angenähert, einem Pop mit starkem Weltmusik-Einschlag. Die Herkunft der Fundstücke ist äußerst unterschiedlich, gemeinsam ist ihnen allein ihr trivialer beziehungsweise pseudotrivialer Charakter. Conversionen von fernöstlichen Schlagern oder Rockhits der goldenen Sechziger stehen neben Kompositionen Marke Eigenbau. Es scheint, als befände sich die Gruppe auf der Suche nach dem geheimen Bauprinzip des universellen Ohrwurms. Dabei ist ihre Herangehensweise höchst subversiv – das Trio entkleidet die Evergreens ihrer Aura. Das geschieht einerseits durch collagieren – indem die Songstruktur durch Einblendungen von Bruchstücken aus anderen musikalischen Zusammenhängen durchbrochen wird – oder aber die Titel werden mit einem billigen Instrumentarium zu sperrmüllhaften Persiflagen verarbeitet. Meistens wird bewußt zu dick aufgetragen. Wenn Edelschnulzen überschnulzt und Kitsch-Lieder extra verkitscht werden, stellt sich automatisch ein gewisser Unernst ein.
Diese Spur hinterlistige Ironie durchzieht die ganze Platte. British Summer Time Ends begreifen ihre Musik nicht als ein Medium für existentielle Sinnproklamationen, sondern als Vehikel aufgeklärter Unterhaltung – mit durchaus abgründigem Humor. Die großen Gefühlswallungen ihrer Schmachtfetzen nimmt man ihnen sowieso nicht ab. Ihr Verhältnis zum Kitsch ist ein ästhetisches. Sie glauben an ihn als Kunstform – nicht an seine Wahrheit.
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