RAF setzte in Weiterstadt Autobombe ein

■ Innenminister Seiters sieht "absolute Anschlagsbereitschaft der RAF" / Generalbundesanwalt von Stahl verteidigt Gerichtsentscheid gegen Haftentlassung / Neue Details über Weiterstädter Anschlag

Berlin (dpa/AP/AFP) – Die Bundesregierung hält weitere Anschläge der Rote Armee Fraktion (RAF) für möglich. Der jüngste Bombenanschlag in Weiterstadt beweise, „daß es im Bereich des Linksterrorismus weiterhin keine Entwarnung geben darf“, sagte Bundesinnenminister Seiters (CDU) in einem Interview. Die RAF-Kommandoebene sei nicht bereit, Gewalt als Mittel der Auseinandersetzungen aufzugeben. Sie habe „absolute Anschlagsbereitschaft signalisiert.“ Zur Diskussion um eine vorzeitige Haftentlassung von RAF-Gefangenen, die der Gewalt entsagen, erklärte Seiters, alle Häftlinge könnten von den Möglichkeiten zur rechtlichen Überprüfung einer vorzeitigen Entlassung Gebrauch machen. Die Entscheidungen hierüber würden sich „ausschließlich am geltenden Recht orientieren.“

Der Anschlag in Weiterstadt hat auch nach Einschätzung von Generalbundesanwalt von Stahl gezeigt, daß die RAF zu „schwersten Straftaten“ bereit und fähig ist. Offenbar wolle sie derzeit aber „unterhalb der Schwelle des Mordes“ bleiben. Es sei jedoch nicht auszuschließen, „daß in Zukunft auch wieder Mordanschläge von der RAF zu befürchten sind“. Stahl verteidigte auch die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamburg und Düsseldorf, die Haftstrafen von vier ehemaligen RAF-Mitgliedern nicht zur Bewährung auszusetzen.

Bei der Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafen sei die Prognose eines Sachverständigen erforderlich, ob der Gefangene fähig und willens sei, in Zukunft ein Leben ohne Gewalttaten zu führen. Wenn die betreffenden Gefangenen bereit seien, sich „wie alle anderen Gefangenen auch“ von einem Psychiater begutachten zu lassen, „dann werden die Akten wieder aufgeschlagen“.

Bei dem Anschlag auf die fast fertige Justizvollzugsanstalt Weiterstadt hatten die Täter einen der Sprengsätze in einem Auto untergebracht. Einen entsprechenden Bericht des Spiegels bestätigte das Bundeskriminalamt. Wie sorgfältig die Terroristen den Anschlag vorbereitet haben, gehe auch aus dem Umstand hervor, daß die Täter sogar einen Maulkorb für den Hund dabei hatten, der üblicherweise das Gelände bewacht.

Die Informationen des Privatfernsehsenders Pro 7, nach denen die Täter das sogenannte Pfortenbuch der Haftanstalt mitgenommen haben, wurden vom BKA weder bestätigt noch dementiert. In diesem Buch wird festgehalten, wer wann und mit welchem Wagen auf das Gelände der JVA gekommen ist. Ohne das Buch lasse sich nicht mehr nachvollziehen, wer sich vor dem Anschlag auf dem Gelände aufgehalten hat. Der Diebstahl lege den Schluß nahe, daß ein oder mehrere der Täter in der JVA Erkundigungen einholten.

Auf der Flucht haben die Terroristen möglicherweise nicht nur einen Mercedes eines Wachmannes benutzt, sondern auch einen Geländewagen, der außerhalb des Gefängnisses abgestellt war.