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Dunkle Wolken überm Arbeitsmarkt

■ Arbeitsamts-Direktor: ABM-Einbrüche beginnen jetzt / Kurzarbeit bei Bildungsträgern, Entlassungen sind unvermeidbar

: ABM-Einbrüche beginnen jetzt / Kurzarbeit bei Bildungsträgern, Entlassungen sind unvermeidbar

Der neue Kapitän ist an Bord — er wird mit rauher See zu kämpfen haben: „Ich bin zufrieden, wenn ich den Tanker Arbeitsamt Hamburg durch die nächsten Jahre bringe, ohne daß er leck schlägt.“ Der neue Direktor des Hamburger Arbeitsamtes, Dr.Olaf Koglin, übernimmt eine Behörde, die unter einem drastischen Spardiktat steht. Demzufolge äußerte er gestern nur vorsichtige Wünsche: „Ich hoffe, daß wir die Krise bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und der beruflichen Bildung ohne einen Scherbenhaufen überstehen.“

Anläßlich der monatlichen Arbeitsmarktbilanz interessierten gestern so auch weniger die Rück- als die Ausblicke. Wie übersteht der Zweite Arbeitsmarkt in der Hansestadt die Blümschen Sparverordnungen? Das weiß selbst Koglin derzeit nicht. Fest steht, daß bei den ABM jetzt tiefe Einschnitte beginnen. Im Februar konnten noch 325 Menschen vermittelt werden, im März waren es nur noch 143. Damit ist jetzt Schluß: „Wir haben kein Geld mehr, um neue Maßnahmen zu bewilligen“, bedauerte Koglin. Jetzt stünden Gespräche mit der Verwaltung und den Projekten an, um zu klären, wie man dieses Jahr übersteht.

Die 8,6 Millionen Mark, die Hamburg nach den Solidarpaktverhandlungen für weitere ABM zustehen, sollen gestreckt werden — „in den nächsten Monaten wenig Stellen, im November und Dezember mehr“. So will die Arbeitsverwaltung rund 600 Stellen realisieren. Zielgruppe für diese Stellen: „ABM-Kräfte, die ins 3. Verlängerungsjahr gehen, Frauen und ungelernte junge und alte Langzeitarbeitslose.“ Kein Träger werde mit einem „dicken Polster“ rechnen können, „wir müssen die Schmerzgrenzen austesten, damit die Träger-Struktur erhalten bleibt“, so der Arbeitsamtsdirektor. Spätestens Mitte Mai sollen die Projekte Klarheit darüber haben, ob sie das Jahr überleben werden oder nicht.

Zu ungewöhnlichen Maßnahmen wird die Arbeitsverwaltung auch im Bereich Fortbildung und Umschulung (FuU) greifen. Die Zahl der Kursteilnehmer wird sich zum Sommer von derzeit rund 10000 auf die Hälfte reduzieren müssen. „Wir werden mit den Bildungsträgern für das Lehrpersonal in Verhandlungen über Kurzarbeit treten“, kündigte der Arbeitsamtsdirektor an: „Aber Entlassungen werden sich nicht vermeiden lassen.“

Reichlich Probleme bereiten dem Amt auch die von Blüm angeordneten monatlichen Meldekontrollen

1im nächsten halben Jahr. 22000 Menschen müssen dadurch zusätzlich im Monat durch die Behörde geschleust werden. „Wir bekommen dafür kein zusätzliches Personal, also werden andere Dienstlei-

1stungen zu kurz kommen“, erklärte Koglin. Betroffen: die Arbeitsvermittlung und die Auszahlung von Leistungen.

Über den Arbeitsmarkt im Vormonat März zeigte sich Koglin je-

1doch zufrieden. Mit 9480 Erwerbslosen habe man das Niveau vom Vorjahr gehalten. Anläßlich der konjunkturellen Lage „ein überraschend positives Ergebnis“, resümierte er. Sannah Koch

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