: Bremer brauchen keinen Kick
■ Bungee-Flop auf Osterwiese: erstmal Pause
Bremer brauchen
keinen Kick
Bungee-Flop auf Osterwiese: erstmal Pause
Täglich Todessprünge. Mutige Männer, verwegene Frauen, Abenteuer live! Bungee-Jumping auf der Osterwiese! Von wegen! Mangels Nachfrage, sagen die Organisatoren, wird jetzt erstmal nicht mehr gesprungen, erst wieder am Wochenende.
Nur zögernd kamen die Bremer zum Gummihüpfen in diesem Jahr, 20 pro Tag etwa über das Osterwochenende, und das rechnet sich nicht für die Veranstalter. Dabei sah letztes Jahr alles noch gut aus in der Branche, und auch jetzt, wie Sascha Rodiek, der Organisator vor Ort beobachtet, ist der Trend zum „Kick“ ungebrochen, in Deutschland und Europa. Nur nicht in Bremen.
War's der Nieselregen...
Die Zentrale der Betreiberfirma in Essen macht dafür das Bremer Wetter verantwortlich, obwohl der Sprung vom 50 Meter hohen Kran erst ab Windstärke Sieben wirklich unangenehm wird, und so schlimm war's nun ja auch nicht. Vielleicht seien ja auch alle Bremer in Urlaub gefahren; und obendrein war die Werbung schlecht, sinniert Rodiek. Aber ein klein wenig zögernd sei es auch im letzten Jahr angelaufen, gibt er dann zu.
Vielleicht liegen die Gründe für den Sprungunwillen ja auch viel, viel tiefer, in der bremischen Seele. Möglicherweise sind die BremerInnen einfach keine Philobaten. Philobaten, erklärt Dr. Gisla Gniech, Professorin der Psychologie an der Uni Bremen, sind Menschen, „die die Weite lieben“. Sie erreichen Glücksgefühle durch das Erleben von „lauten, schrillen Abenteuern mit vitalem Risiko“ und entfliehen so einem Alltag, in dem alles kontrolliert und vorfabriziert ist. Nein, sagt sie, nicht verkappte Todeswünsche treiben die Menschen zum Bungee. Die eigene Freiheit erleben, den eigenen Körper spüren, das ist es, was der oder die will, der sich da wiegen, messen, vertäuen und um einen anschaulichen Batzen Geld erleichtern läßt, um einmal dem Tod durch Aufs-Pflaster-Klatschen ins Auge zu blicken.
...oder hat der Bremer
einfach Schiß?
Wirklich vital ist das Risiko dabei auch überhaupt nicht, wie Sascha Rodiek eilig versichert, verfügt seine Firma doch über die „weltweit einzige TÜV-geprüfte Sprunganlage“, und daß er als Mitarbeiter alle halbe Jahr nach München auf Schulung fahren müsse, ginge ihm manchmal schon richtig auf die Nerven. Keine Gefahr also — und woher kommt dann der Kick? Die Überwindung ist's, wenn man da oben steht vor dem Sprung, und das Glücksgefühl danach, daran gewöhnt man sich nie, beschreibt Rodiek, selbst erfahrener Jumper, und das sagen sogar Leute, die schon über 2000 mal in den Gummiseilen gehangen haben. Die gibt es, es gibt sogar Weltrekorde; Zehn Leute an einem Strick zum Beispiel, damals bei Thomas Gottschalk, oder der 50-Meter-Sprung im Kleinwagen.
Und es wird auch noch weitergehen, wie Rodiek verrät, es kommt noch mehr echtes Abenteuer auf uns zu, der Markt schläft nicht — Rocket Bungee heißt die neueste Errungenschaft. Dabei wird man dann an den bewährten Gummibändern nach oben geschnalzt statt einfach nur schnöde runterzufallen — bestimmt ein absolut irres Wahnsinns-Gefühl. Was sonst. sr
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