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„Jung, energisch und karrierebewußt"

■ Verbissen plant ein Betreuerstab Olympiagold für die Schwimmerin Sandra Völker

Hamburg (taz) – Wieder ist eine Schicht bewältigt. Sandra Völker steigt aus dem Schwimmbecken im Hamburger Olympiastützpunkt, reibt sich kurz trocken mit dem Handtuch, schlüpft in den Bademantel und schließt die restlichen Utensilien in den Spind. Plansoll erfüllt für heute, der Trainer ist zufrieden: „Gut läuft es im Moment“, sagt Dirk Lange. Sehr gut sogar. Im Februar hat Sandra Völker nur 28,33 Sekunden gebraucht, um rückenschwimmend die 50 Meter auf der Kurzbahn zu bewältigen, so schnell war vor ihr keine andere Frau. Weltrekord. Und das, nachdem sie kurz zuvor drauf und dran gewesen war, ihre Laufbahn mit gerade 18 Jahren zu beenden. Bei Olympia in Barcelona verpaßte sie das 100 Meter Rücken-Finale und flog aus dem Staffelteam. Versagt, gescheitert, „richtig abgesoffen bin ich“. Viel Geduld war geboten, um die deprimierte Schwimmerin aufzurichten.

Dirk Lange hat die Aufgabe übernommen. Nicht nur Trainer ist er, auch Betreuer und vor allem Lebensgefährte. Früher ist er selber Leistungsrückenschwimmer gewesen und hat sich immer geärgert darüber, daß er über die zweite Reihe nie hinausgekommen ist. Jetzt sieht er die Chance, mit Sandra nochmal den eigenen Ehrgeiz auszuleben. Radikal umgestellt hat er das Training und weitere Coaches engagiert: „Wir werden Erfolg haben. Trotz Franziska van Almsick.“

Franzi also, Stichwort Wunderkind. Alles, was Sandra Völker noch erreichen will, hat die schon geschafft, im Vorübergehen praktisch und mit gerade 15 Jahren. Sportlich sowieso, geschäftlich mittlerweile auch. Demnächst wird Sandra die Kollegin im Fernsehen betrachten können, wie sie mit der lila Kuh spielt und werbewirksam die zugehörige Schokolade knabbert. Nein, Neid empfinde sie nicht, sagt Sandra Völker, aber ein wenig relativieren müsse man die Franzi-Hysterie schon. Schließlich sei ja gar nicht sicher, daß sie ihre herausragende Position über die Pubertät hinwegretten könne. Selbst erfahren habe sie das: Mit 15 nehme man noch alles locker, „aber dann wird anderes wichtig, die Leistung stagniert und du kriegst Probleme“. Daß Franzi die schon jetzt hat, hat Sandra beim World-Cup in Gelsenkirchen beobachtet. Eigentlich sei Franzi ja sehr nett, „ganz unkompliziert“, aber den Fans gegenüber manchmal doch ganz schön muffelig: „Sie ist eben fast noch ein Kind.“

Sandra ist keines mehr. Mit sechzehn schon hat sie das Elternhaus in Bad Schwartau verlassen und ist allein nach Hamburg gezogen, um regelmäßig am Olympiastützpunkt trainieren zu können. „Jung, energisch und karrierebewußt", sei seine Freundin, sagt Dirk Lange, mithin wie geschaffen für die Werbung: „Völker wie erfolgreich“ hat sich Lange als griffigen Slogan ersonnen und Frank Mackerodt als Manager engagiert, der die Werbeverträge besorgen soll. Mackerodt, langjähriger Volleyballnationalspieler, hat Anfang des Jahres eine Sportmarketing- Agentur gegründet; Sandra Völker ist seine prominenteste Klientin. Ein richtiges Team habe sich mittlerweile um Sandra gruppiert, sagt Lange, das ein einziges Ziel verfolge: „1996 in Atlanta soll sie die Goldmedaille holen.“

Ist das wirklich auch ihr Ziel, oder läßt sie sich von anderen vereinnahmen? Nein, sagt Sandra, während sie auf der Massagepritsche liegt und sich die Muskeln durchkneten läßt. „Die Goldmedaille ist mein größter Wunsch.“ Dafür steht sie morgens um fünf auf und bewältigt die erste Trainingseinheit des Tages, noch bevor in der Höheren Handelsschule ihr Unterricht beginnt. Im nächsten Jahr will sie auf dem Wirtschaftsgymnasium das Abitur machen. Danach geht es weiter: Viel Lauftraining, um die Schnellkraft zu verbessern, und regelmäßig ins Tanzstudio, damit der Bewegungsablauf harmonisiert wird. Bis zum Sommer 96 soll das so gehen, Woche für Woche. „Das Projekt Sandra Völker“, sagt Dirk Lange, „fordert Disziplin“. Holger Gertz

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