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Aussage gegen Aussage

■ Sexuelle Nötigung: Gewerkschaftssekretär vor Gericht / Zeugin hatte Todesängste / Angeklagter bestreitet die Tat

Berlin. Ein für die IG Metall hochpeinlicher Fall beschäftigt seit gestern die 20. Strafkammer des Berliner Landgerichts: Angeklagt ist ein 39jähriger politischer Sekretär der Gewerkschaft wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung einer Kollegin. Die IG Metall war die erste Einzelgewerkschaft, die den Kampf gegen sexuelle Belästigung auf ihre Fahnen schrieb. Der Fall in den eigenen Reihen bereitete ihr jedoch immense Probleme.

Der Angeklagte Detlev K. soll im November 1991 eine Kollegin nach einer Betriebsfeier in seinem Auto gewürgt und zu sexuellen Handlungen genötigt zu haben. Der Angeklagte bestreitet die Tat. Vor Gericht schilderte er, daß es auf der Betriebsfeier zum Austausch von Zärtlichkeiten mit der Zeugin Angelika R. gekommen sei. Später habe er sie und eine weitere Kollegin nach Hause gefahren. Nachdem er diese abgesetzt habe, habe er geglaubt, daß Angelika R. auf dem Rücksitz eingeschlafen sei. Er habe sich deshalb zu ihr nach hinten gesetzt, um zu gucken, was mit ihr los sei. Dabei sei es erneut zum Austausch von Zärtlichkeiten und auch zu sexuellen Handlungen gekommen. Plötzlich habe bei Angelika R. ein Stimmungswandel stattgefunden: „Weißt du, was du da eben gemacht hast? Du hast versucht, mich zu vergewaltigen. Ich werde das nicht auf sich beruhen lassen“, habe sie gerufen und sei aus dem Auto gestürzt.

Der 37jährigen Sekretärin Angelika R. fiel die Aussage vor Gericht sichtlich schwer. Mit leiser Stimme schilderte sie, daß sie sich gegen die Annäherungsversuche des Angeklagten schon im Restaurant verwahrt habe. Weil er sich dafür bei ihr entschuldigt hätte, „das war nicht so gemeint“, habe sie sich von ihm im Auto mitnehmen lassen. Vorsichtshalber habe sie aber auf dem Rücksitz Platz genommen, damit er sie nicht berühren könne. Im Auto sei sie eingeschlafen, doch dann habe sich der Angeklagte neben sie gesetzt und sie mit „irren Augen“ angesehen. Nun habe er sie so am Hals gepackt, daß sie „Todesängste“ bekommen habe. Er hätte sie gezwungen, sein Glied in den Mund zu nehmen. Doch aufgrund ihres Ekels habe sie ihn mit der Hand zu befriedigen versucht, worauf er sich auch eingelassen hätte. In dem Moment, als er gestöhnt habe, sei sie aus dem Auto geflüchtet.

Aufgrund eines taz-Berichtes war der Vorfall seinerzeit an die Öffentlichkeit gelangt und hatte beim IG-Metall-Frauenausschuß für helle Empörung gesorgt. Die Zeugin Angelika R. berichtete gestern, daß ihr der Personalchef der IG-Metall-Hauptverwaltung in Frankfurt und eine Mitarbeiterin der Frauenabteilung eine Versetzung angeboten hätten. Ferner hätten sie von einer Strafanzeige abgeraten. Sie solle daran denken, daß Frauen „ein solcher Prozeß verrückt machen könne“. Der beschuldigte Sekretär wurde seinerzeit in eine IG-Metall-Geschäftsstelle nördlich von Berlin versetzt, wo er noch heute tätig ist. Der Prozeß wird am Montag fortgesetzt. plu

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