: Unverbogen-betr.: "Das Portrait: Stefan Heym", taz vom 8.4.93
betr.: „Das Portrait: Stefan Heym“, taz vom 8.4.93
Zuerst traute ich meinen Augen nicht: Sollte in der taz tatsächlich etwas Positives über Stefan Heym zu lesen sein, wie in zirka zwei Drittel dieses Portraits angedeutet? Weit gefehlt. Im letzten Absatz muß doch wieder draufgehauen werden. [...]
Dazu eine Frage: Welcher heute noch lebende Vater/Großvater in unserem Land hat eine derart beispielhafte Biographie wie Stefan Heym? Trotz Nazis, McCarthy und SED-Staat hat er sich nie verbiegen lassen, war kein Anpaßler, blieb als wacher kritischer Geist sich selbst und seinen Idealen treu. Solange das in die geteilte deutsche Landschaft paßte, wurde er in der Bundesrepublik hofiert und gefeiert – auch wenn er sich da zum demokratischen Sozialismus bekannte. Diese „Narrenfreiheit“ gestand man ihm zu.
Und dann seine bewegenden Worte auf dem Alexanderplatz: „Wir lernen wieder den aufrechten Gang.“ Voller Hoffnung sagte das einer, der stets aufrecht gegangen war und bis heute unbestechlich blieb.
Die Hoffnung zerstob nach der besiegelten Wiedervereinigung. Aber nicht Stefan Heym war von der „neuen Unübersichtlichkeit überfordert“, wie der Autor meint, sondern ganz andere hier und da, die nicht mit einem so klaren Kopf, weiser Voraussicht begnadet und von humanen Utopien beseelt sind. Die Menschheit braucht heute mehr denn je zukunftsweisende Utopien, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will. Ich wünsche mir für unser Land und die Zukunft mehr Menschen wie Stefan Heym – aber auch mehr Menschen, die die Würde eines solchen langen gradlinigen Weges achten können. Bergrun Richter, Gießen
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