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Insel der Seligkeit

■ An der traditionsreichen Ernst-Busch-Schauspielschule legt man Wert auf handwerkliche Perfektion

„Je bedeutender der Schauspieler, desto mehr beschäftigt er sich mit der Technik seiner Kunst.“ Dieser Satz des russischen Schauspielpädagogen Konstantin Stanislawski steht in der Ernst-Busch- Hochschule in Berlin-Schöneweide zwar nicht in Marmor gemeißelt, aber prägnanter ließe sich ihr Ausbildungsprogramm nicht formulieren. Die 1905 von Max Reinhardt gegründete und 1981 nach Ernst Busch benannte Hochschule legt auf die handwerkliche Ausbildung ihrer StudentInnen mehr Wert als die meisten anderen staatlichen Schauspielschulen.

In dem vierjährigen Studium üben zunächst Gruppen von zwei bis fünf Schauspielschülern einzelne Szenen ein, außerdem erhalten sie Unterricht in Sprecherziehung, Gesang, Akrobatik und Theatergeschichte. Erst im Hauptstudium werden ganze Stücke eingeübt. „Die Studenten sollen von der Szene zum Stück kommen und über ein ganzes Stück den Bogen einer Figur spannen lernen“, sagt Wolfgang Rodler, Leiter der Abteilung Schauspiel. „Weil sie das Handwerk richtig lernen wollen, bewerben sich viele Studenten ganz gezielt bei uns.“ Der Erfolg der Absolventen spricht für sich: An der Ernst-Busch-Hochschule studierten unter anderen Leander Haußmann, Alexander Lang und Manfred Krug.

Ob die Hochschule auch nach der Integration in das Hochschulsystem der Bundesrepublik eine „Insel der Seligkeit“ – wie Wolfgang Rodler sie nennt – bleiben wird, bezweifeln manche der 94 SchauspielschülerInnen. Die zu DDR-Zeiten personell und materiell hervorragend ausgestattete Schule muß sich nun an Haushalts- und Personalpläne halten. Die 24jährige Schauspielschülerin Katja befürchtet, daß das Niveau ihrer Ausbildung sinkt, wenn weniger Dozenten mehr Studenten unterrichten müssen: „Die Schauspielgruppen werden größer. Das kann man zwar Ensemblespiel nennen, aber die Ausbildung ist nicht mehr so intensiv.“

Der neue Kanzler der Hochschule, der Schauspieler und Jurist Caspar Graf von Rex, teilt die pessimistische Auffassung der Studierenden nicht: am Betreuungsverhältnis habe sich nichts geändert. „Es gibt hier so viele wunderbare Dinge, wie zum Beispiel die intensive Fechtausbildung durch einen darauf spezialisierten Professor, die, weil sie so selbstverständlich sind, einfach nicht gesehen werden.“ Von Rex ist stolz, die Angliederung der Ernst-Busch-Hochschule an die Westberliner Hochschule der Künste verhindert zu haben. „Nur als unabhängiges Institut kann die Schule die Nähe zwischen Studierenden und Dozenten garantieren.“

An der Ernst-Busch-Schauschpielschule herrscht harte Konkurrenz, noch ehe die vom Theater Faszinierten aufgenommen sind: Jedes Jahr im Februar bewerben sich bis zu zweitausend junge Leute für die dreißig Plätze. Seit der Wende hat die Schule Jahr für Jahr mehr Studenten aus Westdeutschland, der Schweiz und Österreich aufgenommen. Inzwischen ist die Ostmehrheit gekippt: neunzig Prozent der SchauspielschülerInnen des jüngsten Jahrgangs kommen aus dem Westen. Vor drei Jahren war das umgekehrt. Gabi gehört zur neuen Minderheit der OststudentInnen. Die 22jährige hat im vergangenen Jahr in Robert Wilsons „Doktor Faustus Lights the Lights“-Inszenierung am Hebbeltheater mitgespielt. „Ich weiß nicht, ob Robert Wilson in jedem Interview gelobt hätte, wenn die Ausbildung weniger intensiv gewesen wäre. Man darf jetzt nicht anfangen, an Sprecherziehung und Gastregisseuren zu sparen. Denn das Handwerkszeug braucht jeder, der diesen Beruf mit Spaß und Erfolg ausüben will.“ Rüdiger Soldt

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