: Gehen die Kammerspiele in die Knie?
■ Prozeßbeginn im Kammerspielstreit / Ehemalige Mitarbeiter klagen auf Übernahme / Intendant Barbarino droht mit Konkurs
/ Ehemalige Mitarbeiter klagen auf Übernahme / Intendant Barbarino droht mit Konkurs
Fast ein Jahr nach Einreichung der Klage kommt es morgen vor dem Arbeitsgericht zur Verhandlung im Prozeß zwischen dem Betriebsrat der alten Kammerspiele und der neuen GmbH von Intendant Stephan Barbarino. Der Betriebsrat klagt für einen Teil der ehemaligen Beschäftigten auf Wiedereinstellung. Streitpunkt ist eine formale Frage: Handelt es sich bei der Übernahme des Theaters durch die neuen Hamburger Kammerspiele um eine Betriebsübernahme nach Paragraph 613a BGB, der eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter vorsieht, oder aber fand nach dem Konkurs von Ursula Lingen im Juli 1991 und der Benennung des neuen Intendanten Barbarino im November eine Betriebsstillegung statt, die einen Neubeginn erlaubt.
Die knapp 60 Beschäftigten der alten Kammerspiele, von denen nur zwei wieder eingestellt wurden, waren nach dem Konkurs ohne Sozialplan entlassen worden. Da das Konkursverfahren mangels Masse nicht eröffnet wurde, erhielten die ehemaligen Mitarbeiter von Ida Ehre und Ursula Lingen lediglich ein Konkursausfallgeld vom Arbeitsamt. Viele der älteren Angestellten des traditionsreichen Theaters sind noch immer ohne Job. Ein Vergleichsangebot Barbarinos von 50 000 Mark im letzten Juli wurde abgelehnt, da es nur 1000 Mark pro Kopf ergeben hätte.
Die Verbitterung der Geschaßten richtet sich vornehmlich gegen die Kulturbehörde, die sie als Hauptsubventionsgeberin für den eigentlichen Eigner des Privattheaters halten. Diese hatte sich aber immer strikt dagegen gewehrt, irgendeine finanzielle oder soziale Verantwortung für die ehemaligen Beschäftigten zu übernehmen. Gleichzeitig aber hatte sie nach dem Konkurs übergangslos über den Fortbestand des Theaters verhandelt, und bereits im August berief man im Anschluß an eine große Expertenrunde im Gästehaus des Senats die Findungskomission für eine neue Intendanz.
Dies ist eines der Indizien, mit denen der Rechtsanwalt des Betriebsrates Dieter Magsam beweisen möchte, daß eine faktische Betriebsstillegung nie stattgefunden hat. Auch die Mietzahlungen (deklariert als „Ausfallzahlungen“) der Kulturbehörde an die Sprinkenhof AG in der intendanzlosen Zeit, sowie ein Übergabevertrag zwischen dem Liquidator der alten GmbH Eberhard Stefani und Barbarino sollen die Übernahme belegen.
Natürlich geht es auch ums Prinzip, denn „sollten wir den Prozeß
1verlieren“, so Magsam, „würde das bedeuten, daß sich jeder marode Betrieb in Zukunft auf diesem Wege um die Belegschaft erleichtern kann“. Dirk Borgwardt, Rechtsanwalt Barbarinos, gibt zu
1bedenken, daß die finanziellen Forderungen bei einem Sieg des Betriebsrates nur den neuerlichen Konkurs der Kammerspiele bedeuten würden. An eine Unterstützung der Kulturbehörde glaubt er
1nicht: „Die wird das in die Knie gehen lassen.“ Barbarino selbst hatte im Juli 92 den Konkurs für diesen Fall angekündigt, wollte sich aber jetzt vorab nicht äußern. Till Briegleb
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