■ Eishockey: Grimmige Norweger
Dortmund (taz/dpa) – Gewarnt hatten sie alle. Bundestrainer Ludek Bukac befürchtete, daß alle Welt bei der Eishockey-WM Wunderdinge erwarten würde von seiner deutschen Nationalauswahl, weil die in der Vorbereitung trefflich gespielt und unter anderem 6:4 gewonnen hatte gegen die Eismeister aus Rußland. Dämpfen müsse er die Euphorie, sagte Bukac, der erste Gegner Norwegen sei „eine harte Nuß“, sagte Assistent Franz Reindl. Und Kapitän Gerd Truntschka mahnte alle Beteiligten, „gelassen zu bleiben“ vor dem Spiel, auf daß nicht schon das WM- Auftaktmatch – wie bei der deutschen Auswahl üblich – mit einer Enttäuschung ende. Ein regelrechter Startkomplex hatte sich in den letzten Jahren in die Seelen der Kufencracks eingeschlichen. Der letzte siegreiche Einstieg in ein Weltchampionat liegt über elf Jahre zurück: ein 4:2 gegen die damalige CSSR.
Diesmal kam es anders, die Warnungen haben offenbar Wirkung gezeitigt. Nur zu Beginn des ersten Drittels mußte sich das deutsche Team stürmischer norwegischer Angriffe erwehren und tat das in Gestalt seines Torwächters Helmut de Raaf bravourös. Ein ums andere Mal machte der Düsseldorfer Puckfänger, vor vier Wochen noch adduktorengezerrt, bedrohlich anmutende Schüsse unschädlich, bis nach fast zwölf Minuten auch die Deutschen mal vielversprechend vor dem norwegischen Gehäuse auftauchten: Jungstar Stefan Ustorf, der bereits einen Vorvertrag für die übernächste Saison bei den Washington Capitals für die nordamerikanische Profiliga in der Tasche hat, paßte zurück auf Raimond Hilger, der schob die Scheibe am 37jährigen norwegischen Keeper Jim Marthinßen vorbei ins Tor. 1:0, zehntausend Zuschauer waren beruhigt, genau wie fortan das DEB- Team: „Danach“, so Hilger, „fiel der Druck von den Schultern“.
Leichtfüßig glitten die Bukac- Leute fürderhin über die Bahn und trafen vorne, als wäre es nichts. Bernd Truntschka verwertete eine feine Vorarbeit seines Düsseldorfer Clubfreundes Amann, danach Michael Rumrich zum dritten, Dieter Hegen (in Unterzahl) zum vierten, Georg Franz per Schlagschuß zum fünften und schließlich Stefan Ustorf zum sechsten, zwei Minuten vor Schluß. So grimmig waren die Norweger über die deutliche Abfuhr, daß Angreifer Carl Gundersen gegen Linienrichter Markus Pfister tätlich wurde und sich den Rest des Spiels aus disziplinarischen Gründen von draußen ansehen mußte.
Ohnehin war es ein trister Abend für die Mannen aus Skandinavien, die bei der lezten WM auf Platz zehn gekommen waren. Trond Magnusson brach sich den Kiefer und mußte die Heimreise antreten.
Bei den Deutschen hätte die Stimmung dagegen besser nicht sein können nach dem Spiel. Kein Gegentreffer, alle vier Angriffsblöcke am Kantersieg beteiligt – „das hat mir imponiert“, sagte Bukac, der auch vom Ambiente in der Dortmunder Westfalenhalle angetan war: „Mit dieser Stimmung im Rücken können wir weiter erfolgreich sein“, vielleicht schon morgen, wenn es gegen die Tschechische Republik geht. Und Karsten Mende vom Kölner EC, einer von sechs WM-Debütanten, sah sich sogar für den Verlust privater Feierlichkeiten entschädigt. Der Sieg, sprach er, sei ein guter Ausgleich dafür, „daß ich heute die Taufe meines Sohnes Jonas sausen lassen mußte“.ger
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