: UNO-Blauhelme wollen Srebrenica verteidigen
■ Trotz eines erneuten Waffenstillstandsabkommens gehen die Kämpfe zwischen muslimischen und kroatischen Truppen weiter / Vergewaltigungen in Vitez
Sarajevo (AFP/taz) – Fünf Minuten nach zwölf lief am Mittwoch die Frist zur Entwaffnung der Verteidiger von Srebrenica aus. Doch bereits in den Stunden davor wuchs unter den rund 28.000 Menschen, die sich zur Zeit in der von den Serben belagerten Stadt aufhalten, die Furcht. Hatte doch der militärische Anführer der bosnischen Serben, General Mladić, bereits bei der Unterzeichnung des „Waffenstillstandsabkommens“ am Sonntag gedroht, bei Nichteinhaltung der vereinbarten Entmilitarisierungsfrist mit „entsprechenden Schritten“ zu reagieren.
Und auch nach den Verhandlungen, die der General am frühen Mittwoch morgen mit der UNO- Friedenstruppe geführt hatte, wollte er nicht einlenken. Sollte die Frist überschritten werden, werde er UNO-General Lars-Eric Wahlgren „persönlich verantwortlich“ machen. Da bis Dienstag nur wenige Muslime ihre Waffen abgegeben hatten, trafen sich die Kommandeure mit Mladić, um von ihm eine Verlängerung der Entmilitarisierungsfrist zu erreichen. Angesichts der starren Haltung des Serben schienen sie dann jedoch bereit zu sein, Srebrenica gegen Angriffe zu verteidigen. Ein UN- Sprecher: „Wir haben die Verantwortung für die Menschen.“
Trotz eines erneuten Waffenstillstandsabkommens gingen die Kämpfe zwischen kroatischen und muslimischen Truppen in Zentralbosnien weiter. Nach Berichten einer UNO-Sprecherin in Vitez sei es den Blauhelmsoldaten daher unmöglich gewesen, ihren Stützpunkt zu verlassen, um Verletzte zu bergen. Auch Angaben über die Zahl der Toten, „die in den Straßen liegen“, seien nicht möglich. Mittlerweile würden Tausende die Stadt verlassen, gekämpft werde aber auch in den Nachbarorten Zenica und Busovaca.
Ein Offizier der UNO in Vitez erklärte, daß die Belege für die von beiden Seiten begangenen Kriegsgreuel immer zahlreicher würden. Kroatische Soldaten hätten Frauen mehrfach vergewaltigt. Muslimische Soldaten seien plündernd durch die Stadt gezogen. Ganze Familien seien ausgelöscht worden, manchmal mit Schüssen aus nächster Nähe.
Der bosnische Rundfunk berichtete, kroatische Truppen hätten Jablanica wenige Kilometer westlich von Konjic über Nacht mit schweren Waffen angegriffen. Über 200 Granaten seien eingeschlagen, über das Schicksal von 1.500 Frauen, Kindern und alten Menschen sei nichts bekannt. Der kroatische Rundfunk erklärte dagegen, muslimische Soldaten hätten kroatische Dörfer in der Nähe des mittelbosnischen Vitez mit dem Kriegsruf „Jihad (Heiliger Krieg)“ auf den Lippen gestürmt.
Die Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug griff unterdessen erneut Berichte über eine sich angeblich bildende antiislamische Koalition zwischen Serben und Kroaten in Südwestbosnien auf. Unter anderem hieß es, 30 kroatische Milizionäre hätten sich in Südwestbosnien den Serben angeschlossen. Verwundete kroatische Soldaten seien in serbischen Lazaretten behandelt worden. Serbische Bezirksbehörden hätten fliehenden Kroaten Unterkünfte angeboten. O-Ton: „Wenn die Kroaten nicht bald Hilfe erhalten, werden sie vollständig aufgerieben, weil ihre Dörfer von Muslimen völlig umzingelt sind.“
In New York ging am Dienstagabend eine zweitägige Debatte des UN-Sicherheitsrates über den Bosnienkrieg zu Ende. Dabei entwarfen die blockfreien Staaten eine Resolution, die eine Aufhebung des Waffenembargos gegen die Muslime fordert. her
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