: Holzkreuze für Maueropfer und DDR-Grenzer
■ Ex-Bautzen-Häftling errichtete in Privatinitiative Gedenkstätte am Mauerstreifen
Berlin. In der Bundesrepublik wird seit Jahren über Gedenkstätten gestritten. An wen soll man erinnern, und wie? Ist es nicht eine Gleichmacherei im Tode, Opfern und Tätern am selben Ort zu gedenken? Die Debatte über die von Bundeskanzler Kohl bestimmte Zentrale Gedenkstätte für alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ist in vollem Gange. Für sich entschieden hat diese grundsätzliche Frage Friedhelm Lennertz.
Wenige Meter hinter dem Reichstag, genau an der Stelle, wo einst die Mauer stand, hat der ehemalige Bautzen-Häftling in Privatinitiative eine Gedenkstätte eingerichtet. An den zwischen Blumenrabatten stehenden Holzkreuzen hängen Pappschilder, auf denen mit wackligen Buchstaben die Namen der Maueropfer vermerkt sind. 141 sind es, erschossen, ertrunken, verblutet zwischen 1949 und 1988, die Jüngste war gerade 11 Jahre alt. Zehntausende von Touristen haben diesen symbolischen Friedhof inzwischen fotografiert, es gibt keine andere Stelle in der Nähe des Reichstags, die an die Opfer der Mauer erinnert. Aber – und das macht diese Gedenkstätte einzigartig – die aufgeführten Namen oder Daten erinnern nicht nur an Menschen, die die Republikflucht mit dem Leben bezahlten. 25 dieser Toten sind DDR Grenzsoldaten, die entweder bis 1961 auf westlichem Terrain ermordet wurden oder ab 1961 von Westlern erschossen wurden. Zum Beispiel Reinhold Hunn am 18. Juni 1962 oder Max Willi Samland am 27.1.1961.
„Ich bin Menschenrechtler“, begründet Friedhelm Lennertz die Gleichmacherei im Tode, „die Grenzsoldaten sind genauso Opfer des Kalten Krieges, der Teilung, des ganzen Systems“ wie die auf der Flucht Ermordeten. Aber es gibt noch einen anderen, gewichtigeren Grund für den in Bautzen zum Invaliden Geprügelten. Er will mit seinem Engagement gegen das Vergessen nicht von den alten und neuen westdeutschen Rechten vereinnahmt werden. So spiele sich seit neuestem Karl Georg Welker vom „Berliner Bürgerverein“ als aktiver Unterstützer der Gedenkstätte auf. Dieser hielt am 21. April im Bezirk Tiergarten einen Vortrag über „Deutsche Identität“. Er habe dort Thesen im Stil „das Deutsche Reich besteht fort“ und sei derzeit lediglich an der Ausübung seiner „Hoheitsrechte gehindert“ geäußert, sagt Lennertz. „Ich finde es als ehemaliger politischer Häftling pervers, daß Nationaldeutsche sich auf unsere Kosten profilieren wollen.“
Von dem subersiven Gedenken an getötete Grenzsoldaten weiß Welker offensichtlich nichts. Denn gestern enthüllte er, zusammen mit dem in diese Richtung nicht belasteten DDR-Justizopferverein „Help“, eine neues Gedächtniskreuz für die „vergewaltigten, gefolterten, ermordeten“ Menschen in den DDR-Zuchthäusern. Und auch die Verwaltung des Bundestags weiß von Lennertz' Grenzsoldaten nichts. aku
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen