Mercedes: ganz normale Autos

Der Nachfolger von Mercedes-Chef Niefer will weg von den teuren „besten Autos“ / 1992 Verlustbilanz / Niefers legendäre Karriere endet im Knick  ■ Von Donata Riedel

Berlin/Stuttgart (taz/ap) – Seine letzte Bilanz-Präsentation hätte sich „Mr. Mercedes“ Werner Niefer sicher glanzvoller gewünscht – und sei es nur, um Edzard Reuter, dem Chef der Muttergesellschaft Daimler Benz, doch noch zu beweisen, daß die Ära Niefer für Mercedes eine rundum erfolgreiche war.

Statt dessen blieb dem vor einem Jahr vorzeitig vom Chefsessel herunterkomplimentierten Mercedes-Chef zum Abschied nur zu sagen, daß die Edelkarossen-Firma seit Beginn des Jahres ein Drittel Personenwagen weniger verkaufen kann als zur gleichen Zeit ein Jahr zuvor. Das Interesse an neuen Benzen hat damit noch stärker nachgelassen als die Nachfrage nach den schlichteren Gebrauchsautos des VW-Konzerns. Dessen Absatz sank „nur“ um ein gutes Viertel. Der Mercedes-Umsatz ist entsprechend in zweistelligen Prozentzahlen abwärts gestürzt.

Niefers designierter Nachfolger Helmut Werner hat darum für das Zeitalter der rezessionsbedingten Bescheidenheit für die einstige Milchkuh des Daimler-Konzerns eine neue Strategie ausgerufen: Künftig sollen nicht mehr die Techniker das nach ihren Vorstellungen beste Auto basteln dürfen, für das dann ein Preis errechnet wird. Wie in jeder anderen Autofirma soll demnächst auch bei Mercedes zuerst überlegt werden, welche Art Auto zu welchem Preis die Kundschaft kaufen möchte. Die Panzer der S-Klasse will Helmut Werner deshalb schon nach vier Jahren durch Überarbeiten erleichtern lassen.

Den 1992er Mißerfolg werden in diesem Jahr 7.000 weitere Mercedes-Beschäftigte mit ihrem Arbeitsplatz bezahlen müssen. Genau 14.981 Beschäftigte hat die Mercedes-Benz AG bereits 1992 von der Gehaltsliste gestrichen. In den deutschen Werken hat sich die Belegschaft auf 170.137 Beschäftigte verringert. Weltweit waren Ende 1992 noch 222.482 Menschen bei Mercedes beschäftigt.

Daß der Jahresüberschuß des Stuttgarter Automobilherstellers 1992 um 699 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr geschrumpft ist, dürfte Daimler-Übervater Reuter zusätzlich als Bestätigung für die Entscheidung nehmen, den 64jährigen Niefer nach vier Jahren an der Mercedes-Spitze vor Vertragsablauf durch den 56jährigen Werner zu ersetzen. 1992 hatte das Stuttgarter Automobilunternehmen mit 527.500 Pkw weltweit fünf Prozent weniger Autos verkauft als noch im Vorjahr. In Untertürkheim kursiert offenbar nicht ohne Grund der holprige Reim: „Im letzten Jahr von Niefer legt sich Mercedes immer schiefer.“

1992, so Niefer, sei der Überschuß der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 1,548 Milliarden DM auf 849 Millionen DM abgesackt. Er werde sich „selbst bei leicht positiver Geschäftsentwicklung in den nächsten Monaten nicht verbessern.“ Im Konzern verringerte sich der Umsatz von 67,1 Milliarden auf 66,4 Milliarden DM. Als Prognose für das gesamte Geschäftsjahr 1993 kündigte Niefer an, daß der Nutzfahrzeugabsatz „leicht unterhalb“ des Vorjahresabsatzes liegen wird. Mercedes produzierte im vergangenen Jahr 277.346 Lastwagen.

Um die Fahrzeughalden abzubauen, werde die Produktion im laufenden Jahr bei Personenwagen um acht Prozent auf 486.000 und bei Nutzfahrzeugen um zehn Prozent auf 250.000 Einheiten zurückgefahren.

Die Erfolgsgeschichte des Mannes, der vor 50 Jahren als gewerblicher Lehrling „beim Daimler“ anfing und es bis zum Mercedes-Vorstandsvorsitzenden brachte, endet somit im Karriereknick. Auf seiner Abschieds-Bilanz-Pressekonferenz in Stuttgart präsentierte sich Niefer trotz allem optimistisch und kündigte eine „Produktoffensive“ an, die mit der neuen C-Klasse (Nachfolger des Mini-Mercedes 190) im Juni beginnen soll, eine Orientierung „weg von der reinen Oberklasse“, sagte Niefer. Neben der neuen Kompaktklasse sollen auch ein Geländewagen, ein Stadtauto und eine Großraum-Limousine hergestellt werden.