: Hamburg - das Zentrum der "Gegenwehr"
■ Etwa 40.000 Menschen protestierten am Samstag gegen Kündigungen von Tarifverträgen / IGM: "Streik unabwendbar"
am Samstag gegen Kündigungen von Tarifverträgen / IGM: „Streik unabwendbar“
Pünktlich um „fünf vor zwölf“ strömten sie auf den Hamburger Rathausmarkt: Etwa 40 000 GewerkschafterInnen aus der gesamten norddeutschen Küstenregion demonstrierten am Samstag gegen den Tarifvertragsbruch im Osten. Mit der „Aktion Gegenwehr“ wollten sie eindrücklich ihren Widerstand gegen die Unternehmerpläne bekunden.
Schon in den Morgenstunden waren 250 Busse und neun Sonderzüge aus Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zum großen DGB-Aufmarsch in der Elbmetropole eingetrudelt. Busse säumten die Straßen und nicht die gewohnten Einkaufstüten, sondern Gewerkschaftsfahnen beherrschten die City. Der größte Demozug wälzte sich vom Gewerkschaftshaus zum Rathaus — angeführt von der Hamburger DGB-Spitze und zahlreichen Senatsvertretern.
Nach einem zweistündigen Kulturprogramm mit wetter-bedingt ausgelassener Stimmung startete das Politprogramm mit der Rede des IG Metall-Chefs Frank Teichmüller. Er warf den Metall-Bossen „Verfassungsbruch“ und eine „Verwilderung der Sitten“ vor. Teichmüller über die Kündigung der Tarifverträge: „Was wäre, wenn wir zur Bank gingen und sagten, Eure hohen Zinsen können wir nicht mehr bezahlen, wir zahlen nur noch die Hälfte?“ Noch immer lägen die Ostlöhne 40 Prozent unter dem Westniveau, daher reichten 26 Prozent bei einem Stundenlohn von 8,60 Mark nur für Butterbrot und Ei. „Was wäre, wenn wir in einen Laden gingen und sagten, ich zahle nur 60 Prozent des Preises, weil ich auch nur 60 Prozent des Lohnes bekomme?“ Angesichts dieser Politik sei in der Metall- und Elektroindustrie Mecklenburg-Vorpommerns ein Arbeitskampf kaum abzuwenden.
Zu deutlichen Worten griff auch Klaus Wiesehügel, im Vorstand der Baugewerkschaft. Die Drahtzieher für den Angriff auf die Tarifautonomie und den drastischen Sozialabbau säßen für ihn in Bonn. Da die Bundesregierung ihr Zugeständnis zur Beschäftigung billiger Werkvertragsarbeiter aus dem Osten im Baugewerbe gegeben habe, würde jetzt das Tarifrecht ausgehöhlt und die Schwarzarbeit gefördert. Wiesehügel: „Wir wollen eine andere
1Regierung. Jeder Wahlzettel muß zu einem Denkzettel für arbeitnehmerfeindliche Politik werden.“
Überschattet wurde die Demo von einem tragischen Zwischenfall.
1Bei Bargteheide fielen mehrere Jugendliche bei ihrer Anfahrt aus dem Rostocker DGB-Sonderzug. Sie hatten eine Waggon-Tür geöffnet und sich in die offene Tür gesetzt.
1Durch die Sogwirkung eines Gegenzuges wurden die 17jährigen herausgeschleudert. Ein junger Mann starb, ein weiterer wurde schwer verletzt. Kai von Appen
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