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Viele Spiele, viele Meinungen

Bei der Eishockey-Weltmeisterschaft macht sich jeder seinen eigenen Reim auf Sinn und Zweck diverser Vorrundenspiele  ■ Aus Dortmund Peter Unfried

Im Flieger der hiesigen Luftlinie befinden sich also heute morgen Spieler und Trainer der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft, um via Düsseldorf die Münchener Olympiahalle und das WM-Viertelfinale anzusteuern.

Vordringlichstes Ziel also geschafft und die Olympiaqualifikation gleich mit, prima. Dafür hat man aber auch fünfmal ranmüssen. Die anderen logischerweise auch. So sind also 30 Spiele zusammengekommen. Und das Ergebnis? Genau die sind in den Play-offs, von denen man vorher gedacht hatte, daß sie sich dort einfinden würden. Wie? Die Schweiz, immerhin Vorjahresvierter, wirkte bisweilen etwas derangiert? Zugegeben, daß jene den Italienern den Vortritt lassen müssen könnten, hat so recht keiner einkalkuliert. Doch ansonsten könnte für den Betrachter leicht der Eindruck entstehen, man haben den Puck bisweilen reichlich überflüssig, langweilend und vor allem zu oft übers Eis hin- und hergedroschen.

Hat man aber selbstredend nicht. Schließlich geht es um Geld. Viel Geld. 12 Millionen will der Präsident des Organisationskomitees, Fedor H. Radmann, der mit seiner S & K Agentur das Ereignis ausrichtet, aufgebracht haben, mindestens soviel, aber eigentlich auch gern ein bißchen mehr, soll nun wieder in seine Kasse zurückfließen. 2,4 Millionen hat der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) von ihm dafür erhalten, daß er sich raushält. Auch die Internationale Eishockey-Föderation (IIHF) kriegt Geld. Für die Fernsehrechte nämlich, die sie bis 1997 an eine Schweizer Agentur abgetreten hat. Dies selbstredend unter der Voraussetzung, daß auch die Schweizer beim Weiterverteilen auf ihre Kosten kommen.

Jedenfalls, dies erkennen somit auch wir Naiven, ist es unter ökonomischen Gesichtspunkten allemal besser, öfter zu spielen als seltener. Also macht es durchaus Sinn, wenn heute abend die Norweger und Franzosen ausmachen, wer als Zweitletzter der Dortmunder Gruppe gegen den Letzten der Münchener Gruppe, nämlich Österreich, spielen darf. Das hat auch der französische Trainer Kjell Larsson mitbekommen. „Wir werden alles dransetzen“, hat er gesagt, „um gegen Norwegen zu gewinnen.“ Warum? „Weil wir dann im Endspiel gegen Österreich spielen.“ Und die zu schlagen sind!

Gewinnen die Franzosen, womit zu rechnen ist, nicht gegen Norwegen, dann können sie schätzungsweise dennoch gegen Austria ran. Allerdings erst, wenn sie das Relegationshalbfinale auch noch verloren haben und es dann im endgültig die Entscheidung herbeiführen müssenden sogenannten Abstiegsspiel wirklich um bzw. gegen denselben geht.

Womit, langer Rede recht dürftiger Sinn, was gesagt sein will? Daß sich, wenn es nun mal schon so ist, wie es ist, halt jeder seinen eigenen Reim auf das multiple Gespiele macht. Kanadier und US- Amerikaner etwa benutzten die Vorrunde traditionell mal wieder zum Üben. Beide haben kurz vor der WM ihre Collegeboys zu einem nicht unerheblichen Teil gegen gestandene, wenn auch aus dem Stanley-Cup ausgeschiedene Profis austauschen können. Was den strammen US-Coach Tim Taylor gefreut hat, einerseits. Andererseits „haben wir zu Beginn dann Probleme, weil die Blöcke nicht eingespielt sind.“ Tatsächlich sind Koryphäen wie Tony Amonte (New York Rangers) und Mike Modano (Minnesota North Stars) zunächst gar nicht recht in Tritt gekommen. Nach den Spielen vier und fünf am Samstag und Sonntag sieht's aber schon etwas besser aus.

Verzwickterweise ist zu frühes Vollgas aber auch nicht gut. Das weiß insbesondere auch der weise Dr. Bukac, Trainer des germanischen Gastgebers. Umjubelte Vorrundensiege wie vor einem Jahr gegen den späteren Weltmeister Schweden und heuer gegen Vize Finnland „bringen für die Plazierung überhaupt nichts“. Von wegen, „wir haben jetzt sechs Tage Ruhe“, wie er es bereits vergangenen Mittwoch, nachdem das Play- off erreicht war, verkündet hatte. Keine Sekunde Ruhe hat man ihm gelassen, bis er schließlich möglicherweise widerrufen hat. Denn, wäre es wirklich „egal, ob wir am Ende Zweiter oder Vierter sind“ oder auch wahlweise Erster oder Dritter, für was wäre denn dann, bitte schön, abgesehen von den beiden Pflichtsiegen, das diverse, angestrengte Gespiele gut gewesen?

Jedenfalls, das hat Bukac längst spitzgekriegt: „Geht es schief, bin ich verantwortlich!“ Kann es doch gar nicht mehr, Ludek! Der Rubel ist doch schon so gut wie gerollt. Womit man nun zum richtigen Spielen übergehen kann.

Gruppe B: Tschechische Republik - Frankreich 6:2 (1:0, 2:1, 3:1), USA - Norwegen 3:1 (0:1, 2:0, 1:0), Deutschland - Finnland 3:1 (1:0, 2:0, 0:1); Tabelle: 1. Tschech. Republik 7:1; 2. USA 6:2; 3. Deutschland 6:2; 4. Finnland 5:3; 5. Norwegen 0:8; 6. Frankreich 0:8

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