: Halb hingesunken gen Belgrad
■ Rumänien und das Serbien-Embargo: Die Bevölkerung schmuggelt, die Regierung beteuert ihre UNO-Treue und macht Außenpolitik mit Ceausescu-Ideen
Bukarest (taz) – „Benzin in Colaflaschen geschmuggelt“, titelte unlängst die liberale rumänische Boulevardzeitung Evenimentul Zilei. Ihre Leser sind mit solchen Schlagzeilen vertraut: immer wieder finden geschickte Rumänen eine Methode, Benzin unverzollt nach Serbien zu schmuggeln. Praktisch machtlos sind die Behörden des Landes gegen die gewöhnliche Art des Benzintourismus, die weit einträglicher ist, als für einen durchschnittlichen Monatslohn von 50 Mark regulär arbeiten zu gehen: Hunderte Rumänen fahren täglich mit vollem Tank nach Serbien und kommen mit leerem zurück. Den Kraftstoff, der in Rumänien pro Liter 35 Pfennig kostet, verkaufen die Schmuggler in Serbien je nach Entfernung von der Grenze für zwei bis fünf Mark pro Liter.
Seit November letzten Jahres muß zwar an allen Grenzen für einen 50-Liter-Tank – ob voll oder leer – ein Monatslohn hingeblättert werden. Aber dieser Tankzoll hat den gewissermaßen legalen Schmuggel, der in Teilen Rumäniens zu gravierendem Benzinmangel führte, nicht wesentlich eindämmen können. In Nordwestrumänien, so eine Schätzung der halbamtlichen Zeitung Adevarul, lag der „Mehrverbrauch“ von Kraftstoff in diesem Jahr bereits bei 10.000 Tonnen.
Sieben Milliarden Dollar Embargo-Schäden?
Anders als die Tanktouristen hat das offizielle Rumänien das UNO- Embargo gegen Serbien/Montenegro bislang offenbar eingehalten. Wiederholte ausländische Presseberichte, denen zufolge Rumänien es unterlaufe, konnten von einer Reihe westlicher Beobachterdelegationen nicht bestätigt werden. Mehr noch: In den vergangenen Monaten lobten westliche Politiker das Land immer wieder für seine Einhaltung des Embargos.
Verständlicherweise wird in Rumänien über die Auswirkungen des Embargos auf die eigene Wirtschaft geklagt. Die wirtschaftlichen Verluste, so der Sprecher des rumänischen Außenministeriums, Mircea Gioana, in einem Gespräch mit der taz, seien enorm. Gioana bestätigt die Schadenssumme von sieben Milliarden Dollar, die die Vacaroiu-Regierung kürzlich aufgrund von Kalkulationen des Finanzministeriums nannte. Davon, so Gioana, seien rund dreieinhalb Milliarden direkte Schäden. Kompensationen hat Rumänien, ebenso wie im Falle des Irak-Embargos, bis jetzt nicht erhalten.
Auch in anderer Hinsicht hat die UNO-Resolution 757 Rumänien in den Zwiespalt gestürzt. Staatspräsident Ion Iliescu brachte das auf den Punkt, als sein serbischer Kollege Dobrica Ćosić Ende Februar zu einer Visite in Bukarest weilte: man wende das Embargo, so Iliescu, zwar nicht gerne gegen das befreundete serbische Volk an, könne aber nichts anderes tun, denn als UNO-Mitglied die internationalen Verpflichtungen restlos zu erfüllen. Darüber hinaus werde Rumänien gegen jegliche äußere militärische Einmischung eintreten, da dies den Krieg auf andere Länder der Region ausweiten könne.
Ausdrücklich gemeint waren damit auch die US-amerikanische Hilfsaktion über Bosnien und ein bewaffneter Stopp ukrainischer Tankschiffe auf der Donau, die für Serbien bestimmtes Erdöl transportierten.
Die Beziehungen zwischen Jugoslawien und Rumänien waren zwar nie so hervorragend, wie es im Bukarester Außenministerium seit langem gerne dargestellt wird, aber im Vergleich zu anderen Nachbarn Rumäniens recht eng. Ausgehend von der Sonderrolle, die er im Ostblock beanspruchte, suchte der Diktator Ceausescu schon frühzeitig eine Allianz mit Titos Jugoslawien, das den Bruch mit Moskau 1948 vollzogen hatte. In Jugoslawien wurden Ceausescus Werbungen nur mäßig erwidert. Dennoch führten sie zu einer engen wirtschaftlichen Kooperation, die auch nach 1989 bestehen blieb: bis zur Verhängung des UNO-Embargos war Serbien einer der wichtigsten Handelspartner Rumäniens.
Eine nicht geringe Rolle spielt für Rumänien bei seiner Jugoslawien-Politik offenbar auch die Existenz einer mehrere hunderttausend Angehörige zählenden rumänischen Minderheit in Serbien, obwohl das in Bukarest gerne unerwähnt bleibt. Berichte, nach denen Rumänen in der Wojwodina unter Druck des serbischen Regimes geraten und in ihr Mutterland flüchten, werden von rumänischen Regierungspolitikern heruntergespielt.
Der alte Traum einer Bukarester Balkankonferenz
So gleicht die rumänische Außenpolitik seit Ausbruch des Krieges in Jugoslawien einer Gratwanderung. Außenminister Teodor Melescanu wie auch sein Vorgänger Adrian Nastase erklärten einerseits immer wieder Bereitschaft, ausschließlich im Rahmen der UNO zu einer Konfliktlösung beitragen zu wollen. Andererseits unternahm Rumänien in den vergangenen Monaten mehrere eigene diplomatische Vorstöße wie etwa den Plan, die Londoner Jugoslawien-Konferenz vom August 1992 in Bukarest stattfinden zu lassen. Derartige Versuche erklären rumänische Politiker gewöhnlich mit der „privilegierten Stellung“ ihres Landes: da es nie territoriale Ansprüche gegenüber Ex-Jugoslawien gehegt habe und auch nicht hege, komme es nicht in den Verdacht, mit seinen Initiativen versteckte Absichten zu verfolgen.
Neueste Vermittlungsinitiative Rumäniens ist seit einigen Wochen der Plan einer Balkan-Kooperation, die ins Leben gerufen werden soll, nachdem in Ex-Jugoslawien ein dauerhafter Waffenstillstand zustande kommt. In welcher Form eine solche Kooperation stattfinden soll, darüber werde, so Außenministeriumssprecher Gioana, in Rumänien noch nachgedacht. Um in Zukunft aber auf dem Balkan langfristige Stabilität zu schaffen, sei eine politisch-ökonomische Zusammenarbeit in organisatorischem Rahmen unabdingbar. Westliche Politiker, denen Rumänien diese Idee unterbreitet habe, hätten positiv darauf reagiert.
Wenngleich Rumänien jeden Verdacht über die möglichen Hintergründe solcher Vermittlungsbemühungen von sich weist, so erscheinen sie doch wie eine Neuauflage der Ceausescuschen Außenpolitik. Der Diktator, der unter anderem in Belgrad jahrelang den Plan einer Balkan-Gipfelkonferenz vortrug, benutzte seine diversen diplomatischen Initiativen, um sich international zu profilieren und damit von seinem innenpolitischem Terror abzulenken. Keno Verseck
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