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Senatsknatsch um Zukunft Billwerders

■ Gewerbe contra Natur contra Gewerbeansiedlung: Hamburgs SenatorInnen kämpfen um eine der letzten Freiflächen

contra Natur contra Gewerbeansiedlung: Hamburgs SenatorInnen kämpfen um eine der letzten Freiflächen

Am Donnerstag wird es in der Senatskommission für Umweltpolitik und Stadtentwicklung hoch hergehen. Erstmals auf der Tagesordnung: Ein Konzept der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) zur Zukunft Billwerders und Allermöhes. Danach soll mitten zwischen den S-Bahnhöfen Mittlerer Landweg und Nettelnburg, entlang der Bahntrasse eine neue Wohnsiedlung entstehen, die durch eine neu zu errichtende S-Bahn-Station an das Bahnnetz angeschlossen wird.

Allerdings wurden die ursprünglichen Planungen, die unter dem Stichworten Alermöhe II & III mehrere tausend Wohneinheiten zwischen der Bille und der A 25 vorsahen, gewaltig abgespeckt. Der Wohnungsbau soll nun zwei Nummern kleiner ausfallen und unmittelbar an der Bahn-Trasse konzentriert werden.

Doch besonders kontrovers sind die Steb-Pläne für die im Westen an das Neubaugebiet und den Ortskern von Billwerder angrenzenden Flächen. Die Steb will die bestehenden Marsch-Wiesen erhalten, die Wirtschaftsbehörde plant hier hingegen ein über 100 Hektar großes Gewerbegebiet. Fast die gesamte Fläche zwischen der A 1 und Billwerder, die im Süden durch die S-Bahn-Trasse und im Norden durch den Billwerder Billdeich begrenzt wird, soll für neue die Ansiedlung von „produzierendem Gewerbe“ aber auch Speditionen reserviert werden. Wolfgang Becker, Sprecher der Wirtschaftsbehörde: „Dieses ist eines der letzten zusammenhängenden Gewerbegebiete, das wir ansiedlungswilligen Unternehmen noch anbieten können“.

Da das Steb-Konzept das Reserve-Areal der Wirtschaftsbehörde zur Grünfläche umwidmet, stehen die Zeichen auf Sturm. In einer ersten, noch geheimen Stellungnahme zerrissen die Krupp-MitarbeiterInnen die Pläne der Stadtentwicklungssenatorin in Bausch und Bogen als wirtschaftsfeindliches Machwerk. Sie berufen sich dabei auf den gültigen Flächennutzungsplan, in dem das umkämpfte Gebiet als „gewerbliche Baufläche“ deklariert ist. Die Steb wiederum kann sich auf das Landschaftsprogramm der Umweltbehörde berufen. Das weist dasselbe Gebiet als Grünfläche aus.

Damit haben die behördlichen Stadtentwickler auch die Umweltbehörde tendenziell auf ihrer Seite, die wie die Steb, das neue Gewerbegebiet in spe verhindern, die Ausmaße der geplanten Wohnsiedlung aber am liebsten noch weiter reduzieren würde. Zwar liegt ein Statement der Umweltbehörde zu dem Billwerder-Konzept der Steb noch nicht vor, doch bereits an den Runden Tischen zur Entwicklung Billwerders machten die Vahrenholt-Untergebenen ihre Hauptanliegen unmißverständlich klar: Sie wollen möglichst viel Natur- und Ackerflächen erhalten, die Bauern der Region auf einen ökologischen Landbau verpflichten. Doch die Wirtschaftslobby im Senat will das stadtnahe Areal nicht kampflos für

1eine aufgelockerte Wohnbebauung und naturnahen Landbau hergeben. Ein Insider: „Das wird ein Kampf auf Biegen und Brechen“.

Zwar gibt es noch keine offiziellen Pläne der neuen Allermöher Wohnsiedlung, doch wie diese einst aussehen könnte, beschreibt eine noch unveröffentlichte Studie der Steb mit dem Titel „Hamburgs Süd-Ost-Achse - Die vergessene Nische oder Stadt als Drohung“.

1Verfasser Tom Janssen, inzwischen zum Steb-Sprecher aufgestiegen, beschreibt darin seine Vision des Neubaugebietes: „Die konzentrierte Wohnbebauung von ein- bis dreistöckigen Häusern rund um die neue S-Bahnstation liegt in einer gartenstadtartigen Wohnanlage“.

Statt der Ansiedlung neuer Transportunternehmen schlägt das Steb-Papier für die angrenzenden Orte Moorfleet und Billbrook gar

1eine „schonende Rückführung in Richtung Wohnen und Arbeiten“ vor, die „Schutz vor der Verödung durch Speditionen und Lagerhallen“ bietet. Für Traute Müller sind die Utopien ihres Neu-Pressesprechers allerdings nur ein „Mosaikstein“ in ihrem Planungsprozeß. Nicht viel höher allerdings dürfte auch der Senat das Konzept der Stadtentwicklungssenatorin bewerten. mac/vm

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