: Warnung vor den „Nebenwirkungen“
■ Folgen einer Freisetzung gentech- nisch veränderter Organismen unklar
Sicher, sauber und erfolgreich – so präsentiert die chemische Industrie gerne die Gentechnik. Eine Gefährdung von Umwelt und Mensch wird auch bei Freilandversuchen ausgeschlossen. Meist verweisen die Betreiber gentechnischer Anlagen darauf, daß die Bakterien und Hefen, die genmanipuliert zur Herstellung von Medikamenten und in der Lebensmittel- und Waschmittelproduktion eingesetzt werden, völlig harmlos sind; sie hätten außerhalb der Anlagen gar keine Chance, ihre manipulierten Gencodes an andere Organismen weiterzugeben.
Darauf verläßt sich auch Dr. Arved Lompe der Firma Solvey Enzymes im niedersächsischen Nienburg. Dort werden mit Hilfe von gentechnisch veränderten Bakterien Enzyme produziert, die als „Super-Eiweiß-Fleckentferner“ in der Waschmittelindustrie nützlich sein sollen. Auch die Nährbrühe, in der die Bakterien vermehrt werden, findet ihre Verwendung. Eingedickt als sogenannter „Filterkuchen“ wandert die Brühe als hochwertiger Dünger auf die Felder in der Nachbarschaft. Da die Produktionsanlage nach dem Gentechnikgesetz der niedrigsten Sicherheitsstufe I unterliegt, muß der Filterkuchen vor Ausbringung auf die Felder nicht gesondert sterilisiert werden. Um eventuell überlebende Organismen abzutöten, reicht es, den PH-Wert der Nährbrühe zu verändern und sie dann 24 Stunden zu lagern.
Das Freiburger Öko-Institut sieht in diesem Verfahren eine Gefahr für die Umwelt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, so die Biologin Barbara Weber, daß der veränderte Gencode der Bakterien, der eventuell noch im Filterkuchen vorhanden sei, auf andere Organismen übertragen werde. Die vielfältigen Wechselwirkungen der Gene untereinander seien kaum erforscht. Niemand könne sagen, wie sich die Freisetzung genmanipulierter Organismen in Zukunft auswirken werde.
Eine weitere Gefahr sieht Dr. Weber in der gängigen Praxis, die umgebauten Bakterien mit Antibiotika resistent gegen Krankheiten zu machen. Zusammen mit Obst und Gemüse gelangen die so widerstandsfähig gemachten Bakterien in den menschlichen Körper und könnten auch dessen Immunsystem verändern. Krankheiten, die heute leicht heilbar sind, könnten sich in Zukunft zu neuen Seuchen entwickeln.
Eine andere in der Gentechnik beliebte Bakterienart sind die Escherichia coli K 12. Kritiker warnen vor der Vielseitigkeit dieser Lebewesen. Im Laborversuch habe nachgewiesen werden können, daß sie fähig sind, ihren Gencode nicht nur auf verwandte Organismen zu übertragen.
Nichtbeherrschung von Gefahrenpotentialen
Sie sind auch imstande, Hefepilze, die einen ganz anderen Aufbau haben, mit ihren Informationen zu „füttern“. E.-coli-Bakterien sind der Grundstoff zur angestrebten Produktion von Humaninsulin bei Hoechst. Käme es dort zu einer Panne im Produktionsablauf – eine Vorstellung, die nach 15 Störfällen und Betriebsstörungen in den letzten Monaten nicht so abwegig ist –, kann niemand vorhersagen, welche Schäden freigesetzte, gentechnisch veränderte E.-coli-Bakterien anrichten.
Angesichts dieser Problematik lehnt auch das hessische Umweltministerium eine Novelle des Gentechnikgesetzes ab. Eine Gefährdung des Industriestandortes Deutschland sei letztlich ausschließlich in der Nichtbeherrschung von Gefahrenpotentialen zu suchen. Diese stelle eine akute Gesundheitsgefährdung von Beschäftigten und Anwohnern der dichtbesiedelten BRD dar. Das Ministerium kritisiert in einer Stellungnahme den teilweisen Wegfall und die Beschleunigung der verbleibenden Anmelde- und Genehmigungsverfahren. Der Zweck des Gentechnikgesetzes – Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und die sonstige Umwelt vor möglichen Gefahren zu schützen – werde mit dem vorliegenden Entwurf nicht erfüllt.
Welche Risiken der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen mit sich bringt, wurde Mitte der 80er Jahre am Pasteur- Institut in Paris bekannt. In einer Abteilung, in der mit Hilfe der Gentechnik an Tumorviren gearbeitet wurde, erkrankten sieben Mitarbeiter an Krebs. Erst 1990 räumte eine Untersuchungskommission ein statistisch erhöhtes Krebsrisiko ein und empfahl eine Untersuchung aller Molekularbiologen, weil diese einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt seien.
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